Geldanlage

Inflation: Deutsche flüchten aus Spareinlagen

Lesezeit: 4 min
07.06.2022 10:05
Konsumstau und Sparboom sind aufgrund der Inflation beendet: Die Sichteinlagen der Deutschen schrumpfen. Vor allem die inflationsbedingten Kaufkraftverluste tun weh.
Inflation: Deutsche flüchten aus Spareinlagen
Die Deutschen müssen an ihr während der Corona-Pandemie angespartes Vermögen. (Foto: iStock.com/MichaelJay)
Foto: MichaelJay

Die hohe Inflation und die unsichere Weltlage fressen die hohen Zusatzersparnisse vieler Bundesbürger aus der Corona-Pandemie in Teilen wieder auf. Wie aus Daten der Bundesbank und des Statistischen Bundesamts abzulesen, ist die Phase des außergewöhnlich starken Wachstums der Bankeinlagen beendet. Gleichzeitig sind im ersten Quartal die privaten Konsumausgaben in die Höhe geschossen. Das spiegelt zumindest in Teilen die höheren Lebenshaltungskosten wider.

„Derzeit fällt das Wachstum der Bank- beziehungsweise Spareinlagen regelrecht von der Klippe“, sagt Peter Barkow, Chef des auf die Finanzbranche spezialisierten Beratungsunternehmens Barkow Consulting. „Die letzten beiden Jahre waren insbesondere bezogen auf den starken Anstieg der Bankeinlagen wirklich verrückt.“

Paradoxerweise bescherte die Corona-Pandemie trotz Wirtschaftskrise vielen Haushalten in Deutschland ein höheres Vermögen. Im ersten Coronajahr 2020 waren deren Sichteinlagen – das sind die Guthaben auf Giro-, Tagesgeld- und Sparkonten ohne Laufzeit oder Kündigungsfrist – um 165 Milliarden Euro angeschwollen. Hauptursache war ein Konsumstau, denn die Corona-Beschränkungen bedeuteten fehlende Gelegenheiten zum Geldausgeben. Im vergangenen Jahr vermehrte sich diese Summe noch einmal um 90 Milliarden Euro, auf einen Gesamtstand von 1,76 Billionen Euro Ende Dezember.

Doch seither hat sich quasi nichts mehr getan. Ende März war es eine halbe Milliarde weniger als zu Jahresbeginn. „Jetzt haben wir einerseits die Inflation, und andererseits vielleicht eine gewisse Normalisierung des Konsumverhaltens“, sagt Barkow.

Ändern positive Zinsen die Situation?

Dass die Bürger in diesem Jahr im Saldo überhaupt kein zusätzliches Geld mehr zu Bank oder Sparkasse tragen, ist wohl nicht zu erwarten. Die Hamburger Sparkasse (Haspa) etwa meldet für das erste Quartal noch einen leichten Zuwachs an Giro- und Spareinlagen. Mittlerweile gibt es auch wieder positive Zinsen auf Sparkonten – wenn auch niedrige, die weit unter der Inflationsrate liegen. Aktuell bietet die Haspa laut Sprecherin 0,7 Prozent für drei Jahre Festzinssparen.

„Wir rechnen mit einem Zuwachs an Einlagen, der sich aber im Vergleich zu den Vorjahren deutlich abschwächen dürfte“, sagt Gregor Scheller, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern, der Dachorganisation der 208 Volks- und Raiffeisenbanken im Freistaat. Scheller sieht darin ebenso wie Barkow sowohl die Folgen der Inflation als auch eine Normalisierung des Konsumverhaltens. „Jetzt besteht wieder die Möglichkeit, Geld auszugeben“, sagt der GVB-Chef.

„Die ganzen Haushalte sind mit Überersparnissen hier reingegangen“ formuliert Jürgen Michels, Chefvolkswirt der BayernLB in München. „Jetzt, wo die Preise hochgegangen sind, laufen die Ersparnisse ein Stück weit runter.“

Die Bürger haben im ersten Quartal dieses Jahres ungleich mehr Geld ausgegeben als in den ersten drei Monaten 2021. Laut Statistischem Bundesamt stiegen die privaten Konsumausgaben im Jahresvergleich um 13,8 Prozent, inflationsbereinigt waren es 8,5 Prozent.

Dennoch kein Kaufrausch

Auf den ersten Blick mag dies nach Kaufrausch aussehen, doch muss berücksichtigt werden, dass sich Deutschland Anfang vergangenen Jahres noch im Lockdown befand. Außerdem meinen die Statistiker mit „privaten Konsumausgaben“ keineswegs nur Urlaube oder Restaurantbesuche. Darin enthalten sind unter anderem die Kosten für Lebensmittel, Wohnung und Auto. „Die Kaufkraftverluste tun weh“, sagt BayernLB-Chefvolkswirt Michels. „Das ist Transfer, den wir an die Ölproduzenten machen.“

Die Auswirkungen der unsicheren Weltlage mit Ukraine-Krieg, anhaltenden Lieferproblemen der Industrie und wenig erfreulichen Wirtschaftsaussichten sind nicht nur an Kontoständen abzulesen. Im vergangenen Jahr beliefen sich die Finanzerträge der deutschen Haushalte laut Rendite-Radar des Vermögensverwalters Whitebox auf über 300 Milliarden Euro. Neben den Bank- und Sparguthaben sind darin auch Aktien, Fonds, Lebensversicherungen und andere Formen der Geldanlage enthalten.

Im ersten Quartal dieses Jahres gingen im Saldo wieder 73 Milliarden Euro verloren, wie das Unternehmen in Kooperation mit Barkow errechnet hat. „Erstaunlich wenig angesichts der kumulierten Krisen aktuell, und wenn man bedenkt, dass sich die Kursverluste zu Beginn der Corona-Pandemie im ersten Quartal 2020 auf 200 Milliarden Euro beliefen“, sagt Mitgründerin und Geschäftsführerin Salome Preiswerk.

***

Altersvorsorge-neu-gedacht.de ist eine Publikation von Bonnier Business Press Deutschland und ist Ratgeber zu den Themen Vorsorge und Geldanlage.

ANG
Börse
Börse Kritik an MSCI-World-Index - Was bringen ETFs für Anleger?
04.12.2023

Viele Anleger vertrauen dem MSCI-Aktienindex. Doch an dem ETF entzündet sich auch berechtigte Kritik, die Sie bares Geld kosten kann.

ANG
Börse
Börse Kapitalmarktausblick 2024: Cool bleiben und auf Aktien setzen
30.11.2023

Union Investment wagt einen Ausblick auf das Börsenejarh 2024: Gerechnet wird mit einem Konjunkturaufschwung nach einem schwachem...

ANG
Geldanlage
Geldanlage Die Zukunft des Luxus: Trends und Entwicklungen in der Post-Covid-Ära
24.11.2023

Die Veränderungen im Luxussektor nach der Covid-19-Pandemie sind dramatisch. Chinas Einfluss im Luxusmarkt hat sich verdoppelt, während...

ANG
Vorsorge
Vorsorge Gebührenklausel in Riester-Verträgen für unwirksam
22.11.2023

Der BGH erklärt pauschale Klauseln in Riester-Verträgen für unwirksam. Die Sparkassen hatten sich vorbehalten, Gebühren zu erheben....

ANG
Börse
Börse Aufholpotenzial bis Jahresende
20.11.2023

Mit Blick auf den November und das verbleibende vierte Quartal äußert sich das Strategie-Team der DJE Kapital AG optimistisch über ein...

ANG
Geldanlage
Geldanlage Aufbau widerstandsfähiger europäischer Small-Cap-Portfolios
08.11.2023

Phil Macartney, Fondsmanager für European Equities erläutert, wo Anleger an den europäischen Nebenwertemärkten hochwertige, gut...

ANG
Geldanlage
Geldanlage Portfolio-Management: Moderne Methoden und Werkzeuge
06.11.2023

In einer Welt, in der die Finanzmärkte zunehmend komplexer und volatiler werden, sind moderne Methoden und Werkzeuge im...

ANG
Geldanlage
Geldanlage Investieren in Small-Cap-Aktien: Risiken und Potenziale
03.11.2023

Investieren in Small-Cap-Aktien birgt sowohl verlockende Chancen als auch einzigartige Herausforderungen. Dieser Artikel beleuchtet die...