Die hohe Inflation und die unsichere Weltlage fressen die hohen Zusatzersparnisse vieler Bundesbürger aus der Corona-Pandemie in Teilen wieder auf. Wie aus Daten der Bundesbank und des Statistischen Bundesamts abzulesen, ist die Phase des außergewöhnlich starken Wachstums der Bankeinlagen beendet. Gleichzeitig sind im ersten Quartal die privaten Konsumausgaben in die Höhe geschossen. Das spiegelt zumindest in Teilen die höheren Lebenshaltungskosten wider.
„Derzeit fällt das Wachstum der Bank- beziehungsweise Spareinlagen regelrecht von der Klippe“, sagt Peter Barkow, Chef des auf die Finanzbranche spezialisierten Beratungsunternehmens Barkow Consulting. „Die letzten beiden Jahre waren insbesondere bezogen auf den starken Anstieg der Bankeinlagen wirklich verrückt.“
Paradoxerweise bescherte die Corona-Pandemie trotz Wirtschaftskrise vielen Haushalten in Deutschland ein höheres Vermögen. Im ersten Coronajahr 2020 waren deren Sichteinlagen – das sind die Guthaben auf Giro-, Tagesgeld- und Sparkonten ohne Laufzeit oder Kündigungsfrist – um 165 Milliarden Euro angeschwollen. Hauptursache war ein Konsumstau, denn die Corona-Beschränkungen bedeuteten fehlende Gelegenheiten zum Geldausgeben. Im vergangenen Jahr vermehrte sich diese Summe noch einmal um 90 Milliarden Euro, auf einen Gesamtstand von 1,76 Billionen Euro Ende Dezember.
Doch seither hat sich quasi nichts mehr getan. Ende März war es eine halbe Milliarde weniger als zu Jahresbeginn. „Jetzt haben wir einerseits die Inflation, und andererseits vielleicht eine gewisse Normalisierung des Konsumverhaltens“, sagt Barkow.
Ändern positive Zinsen die Situation?
Dass die Bürger in diesem Jahr im Saldo überhaupt kein zusätzliches Geld mehr zu Bank oder Sparkasse tragen, ist wohl nicht zu erwarten. Die Hamburger Sparkasse (Haspa) etwa meldet für das erste Quartal noch einen leichten Zuwachs an Giro- und Spareinlagen. Mittlerweile gibt es auch wieder positive Zinsen auf Sparkonten – wenn auch niedrige, die weit unter der Inflationsrate liegen. Aktuell bietet die Haspa laut Sprecherin 0,7 Prozent für drei Jahre Festzinssparen.
„Wir rechnen mit einem Zuwachs an Einlagen, der sich aber im Vergleich zu den Vorjahren deutlich abschwächen dürfte“, sagt Gregor Scheller, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern, der Dachorganisation der 208 Volks- und Raiffeisenbanken im Freistaat. Scheller sieht darin ebenso wie Barkow sowohl die Folgen der Inflation als auch eine Normalisierung des Konsumverhaltens. „Jetzt besteht wieder die Möglichkeit, Geld auszugeben“, sagt der GVB-Chef.
„Die ganzen Haushalte sind mit Überersparnissen hier reingegangen“ formuliert Jürgen Michels, Chefvolkswirt der BayernLB in München. „Jetzt, wo die Preise hochgegangen sind, laufen die Ersparnisse ein Stück weit runter.“
Die Bürger haben im ersten Quartal dieses Jahres ungleich mehr Geld ausgegeben als in den ersten drei Monaten 2021. Laut Statistischem Bundesamt stiegen die privaten Konsumausgaben im Jahresvergleich um 13,8 Prozent, inflationsbereinigt waren es 8,5 Prozent.
Dennoch kein Kaufrausch
Auf den ersten Blick mag dies nach Kaufrausch aussehen, doch muss berücksichtigt werden, dass sich Deutschland Anfang vergangenen Jahres noch im Lockdown befand. Außerdem meinen die Statistiker mit „privaten Konsumausgaben“ keineswegs nur Urlaube oder Restaurantbesuche. Darin enthalten sind unter anderem die Kosten für Lebensmittel, Wohnung und Auto. „Die Kaufkraftverluste tun weh“, sagt BayernLB-Chefvolkswirt Michels. „Das ist Transfer, den wir an die Ölproduzenten machen.“
Die Auswirkungen der unsicheren Weltlage mit Ukraine-Krieg, anhaltenden Lieferproblemen der Industrie und wenig erfreulichen Wirtschaftsaussichten sind nicht nur an Kontoständen abzulesen. Im vergangenen Jahr beliefen sich die Finanzerträge der deutschen Haushalte laut Rendite-Radar des Vermögensverwalters Whitebox auf über 300 Milliarden Euro. Neben den Bank- und Sparguthaben sind darin auch Aktien, Fonds, Lebensversicherungen und andere Formen der Geldanlage enthalten.
Im ersten Quartal dieses Jahres gingen im Saldo wieder 73 Milliarden Euro verloren, wie das Unternehmen in Kooperation mit Barkow errechnet hat. „Erstaunlich wenig angesichts der kumulierten Krisen aktuell, und wenn man bedenkt, dass sich die Kursverluste zu Beginn der Corona-Pandemie im ersten Quartal 2020 auf 200 Milliarden Euro beliefen“, sagt Mitgründerin und Geschäftsführerin Salome Preiswerk.