Immer mehr Deutsche, Österreicher und Schweizer legen das Vermögen sozial-ökologisch an. Laut dem Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen 2022 sind es allein in Deutschland über 500 Mrd. Euro, die im Jahr 2021 in Publikumsfonds, Mandate, Spezialfonds sowie Eigen- und Kundeneinlagen steckten. Das war ein Anstieg von 50 Prozent zum Vorjahr.
Doch die Studien sind sich nicht einig darüber, ob grüne Anlagen tatsächlich besser performen als herkömmliche Finanzprodukte. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) veröffentlichte im Jahr 2018 eine Meta-Studie, die mehrere Meta-Studien zu ESG-Renditen begutachtete. „Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien im Investmentprozess kann sich positiv auf den Ertrag beziehungsweise die risikoadjustierten Erträge der Portfolios auswirken“, stellten die Autoren fest und fügen hinzu: „Der Großteil der Studien liefert jedoch neutrale oder gemischte Ergebnisse.“ ESG steht dabei für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.
Etwa analysierte eine Meta-Studie der Universität Hamburg im Jahr 2015 den Zusammenhang zwischen ESG-Faktoren und dem finanziellen Erfolg von Unternehmen. Dazu begutachteten die Forscher mehr als 2000 Studien. Das Ergebnis: 15,5 Prozent der Studien fanden einen positiven Zusammenhang, 11 Prozent einen negativen und drei Viertel fanden keine eindeutige Verbindung zwischen der Anleger-Rendite und der Berücksichtigung von ESG-Kriterien.
Governance ist wichtigster Renditebringer
Die Hamburger Forscher waren zwar der Meinung, dass ESG-Investments höhere Renditen als der breite Markt abwerfen. Aber die Anleger seien durchschnittlich nicht in der Lage, die Überrenditen abzuschöpfen, schlossen sie laut GDV. Dem GDV zufolge ist es vor allem das G - also Governance (Unternehmensführung) -, das eine Überrendite verspricht. Dieses habe sich als Werttreiber mit der „höchsten Relevanz“ herausgestellt, schreiben die Autoren.
Beim E (Umwelt) würden Studien kaum einen Einfluss feststellen, sagt auch der Finanzwissenschaftler Christian Rieck in einem Youtube-Video. Bloß die Unternehmensführung mache einen großen Unterschied. „Das wundert einen auch nicht, weil die Kapitalkosten dauerhaft gesenkt werden“, erklärt der Professor der Frankfurt University of Applied Sciences.
Gute Unternehmensführung bedeute etwa, dass ein Unternehmen keine fragwürdigen Deals abschließe - etwa mit Politikern -, dass die Manager nicht korrupt seien und dass hintenherum nicht gemauschelt werde, erklärt Rieck. „Damit das funktioniert, muss ein Unternehmen Regeln und Mechanismen aufstellen, die gute Unternehmensführung sicherstellen.“ Diese Transparenzregeln würden Interessenkonflikte zwischen dem Management und den Aktionären verringern, die die Performance des Unternehmens negativ beeinflussen könnten.
Etwa zeigt ein Blick auf den MSCI World Governance Quality Index, der Unternehmen aus 23 Industrieländern mit guter Unternehmensführung enthält, die Überperformance von G. Der Index stieg seit November 2009 um über 300 Prozent an. Zum Vergleich: Der MSCI World erhöhte sich nur um 200 Prozent. Ein ESG-Index hat hingegen kaum einen Vorsprung zu einem breiten Marktindex: Etwa stieg der MSCI ACWI ESG Universal Index um 168 Prozent im gleichen Zeitraum, während der MSCI ACWI um 160 Prozent nach oben kletterte.
Laut GDV ist eine weitere Gefahr, dass grüne Investoren das Anlageuniversum zu sehr einschränken, zum Beispiel über Negativlisten oder Mehrfachscreenings. Bei zunehmender Portfolio-Konzentration und erhöhtem Tracking-Error könne das zu negativen Ertragseffekten führen, heißt es in der Studie. „Negatives Screening ist prinzipiell von Nachteil“, sagt auch Christian Rieck. „Sie schließen einige Unternehmen aus, wodurch Sie Möglichkeiten zur Diversifikation verlieren, und Sie verpassen die Möglichkeit, in ein Unternehmen zu investieren, das sich ganz hervorragend entwickelt.“
Was gilt als nachhaltig?
Laut dem Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen sind aber Negativkriterien unter Publikumsfonds, Spezialfonds und Mandaten beliebt. 82 Prozent verfolgten diese Anlagestrategie. Die verbreitetsten Ausschlusskriterien waren dabei Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Bestechung, Arbeitsrechtsverletzungen und Kohle (in absteigender Reihenfolge). Auf Platz 3 der Anlagestrategien lag das normbasierte Screening (80 Prozent). Dabei schauen Fonds etwa, ob eine Anlage der UN-Nachhaltigkeitsinitiative Global Compact entspricht. Auf Platz vier folgte Engagement (71 Prozent) und auf Platz fünf mit der Stimmrechtsausübung eine spezielle Form des Engagements (60 Prozent). An der Spitze stand die ESG-Integration (82 Prozent), also die Klassifizierung als ESG-konform unter der EU-Offenlegungsverordnung.
Die Offenlegungsverordnung scheidet Fonds und Unternehmen in hellgrüne Anlagen nach Artikel 8 und dunkelgrüne nach Artikel 9. Dunkelgrüne müssen nicht bloß ESG-Standards erfüllen, sondern auch Einfluss zur Erreichung der Ziele ausüben, etwa über die Stimmrechte von Aktien. Als ESG-konform gilt dabei unter anderem, was das Klima schützt, Wasser und maritime Ressourcen schont und schützt, Umweltschutz fördert und die Kreislaufwirtschaft vorantreibt. In mindestens einem Bereich muss die Anlage einen „wesentlichen Beitrag“ leisten und in keinem darf sie relevanten Schaden anrichten.
Wie hoch sind die Kosten?
Ein Vorteil von nachhaltigen aktiven Fonds ist indes: Sie sind leicht günstiger als normale Fonds. Das ergab eine Untersuchung für das Jahr 2020 der europäischen Wertpapieraufsicht ESMA. Die Kosten lagen bei nachhaltigen Aktienfonds im Schnitt bei 1,5 Prozent, bei herkömmlichen Aktienfonds dagegen bei 1,8 Prozent. Ebenfalls leicht günstiger waren nachhaltige Anleihefonds (1,1 zu 1,2 Prozent) und Mischfonds (1,6 zu 1,7 Prozent). Bloß nachhaltige ETFs waren teurer als normale ETFs (0,8 zu 0,6 Prozent).
In den vergangenen Jahren sind allerdings die Kosten von Fonds generell gesunken. Die geringeren Kosten von nachhaltigen Fonds lassen sich teils dadurch erklären, dass sie oft später eröffnet wurden als normale Fonds. Die Forscher verglichen nämlich auch jüngere, normale sowie nachhaltige Fonds miteinander und stellten fest, dass der Kostenunterschied um die Hälfte schrumpfte und weniger als 0,1 Prozentpunkte betrug.
Bringen nachhaltige Anlagen etwas?
Laut einer Studie schaffen es die meisten grünen Finanzprodukte indes nicht, die globalen Umweltprobleme zu lösen. ESG-Anlagen würden eher einem Placebo gleichen, sagte der Autor Falko Petzold der NZZ. „Die Produkte geben den Käufern ein gutes Gefühl und beruhigen ihr Gewissen. Doch ein großer Teil davon schafft es nicht, eine messbare Veränderung herbeizuführen.“
Laut Paetzold liegt das an den vielfach zu laschen ESG-Anforderungen. „Viele Fonds begnügen sich damit, aus besonders umstrittenen Branchen wie Waffen oder Tabak auszusteigen“, erklärt der Professor der Universität Zürich. Laut dem Analysten Daniel Welter widersprechen sich die ESG-Ratings zudem stark. „In den meisten Fällen weichen die Bewertungen stark voneinander ab.“ Etwa bekomme der Pharmakonzern Roche von S&P Spitzennoten, während er bei Morningstar im unteren Drittel lande, sagte Welter gegenüber der Zeitung.
Was können Anleger tun?
Der Finanzexperte Max Deml rät im Gespräch mit Altersvorsorge Neu Gedacht dazu, sich an Siegeln wie dem österreichischen Umweltzeichen der Geldanlage oder der EDA-Kennzahl zu orientieren. Außerdem sollten Anleger genau ins Portfolio von nachhaltigen Fonds schauen. Die Einstufungen nach der EU-Offenlegungsverordnung seien „allein nicht sehr aussagekräftig“, meint der Publizist, der bereits Anfang der Neunziger Jahre das Fachmagazin Öko-Invest gründete und als ein Vorreiter der nachhaltigen Geldanlage gilt. Laut Deml prüfen die EU-Behörden nicht die Einhaltung der ESG-Standards. Fondsgesellschaften und Unternehmen müssten lediglich eine schriftliche Stellungnahme einreichen.
Nachhaltige ETFs sieht Deml kritisch. „Es gibt nur sehr wenige Nachhaltigkeitsindizes mit relativ ‘strengen’ Kriterien wie beim nx-25“, sagt er. „Die ‘grossen’ ETFs enthalten oft nur Aktien von Großkonzernen wie Amazon, Apple und Co., die nicht gegen ein paar Negativkriterien verstoßen.“ Deml hat einen eigenen Index namens nx-25 im Jahr 1997 entwickelt, der 25 Unternehmen aus Industrieländern enthält. Diese sind mit jeweils 4 Prozent gewichtet und werden einmal im Jahr wieder auf die 4 Prozent zurückgesetzt. Die geografische Verteilung ist dem Weltaktienindex MSCI World nachempfunden. Dabei entscheidet ein vierköpfiger Indexbeirat über den Ersatz einzelner Titel, die wegen einer Übernahme von der Börse verschwinden oder die Kriterien nicht mehr erfüllen.
Wer indes mit seiner Geldanlage wirklich etwas für die Umwelt tun wolle und für wen Rendite eine geringe bis gar keine Rolle spiele, dem rät Deml von Fonds, ETFs und börsennotierten Aktien eher ab. „In der Regel hat man keinen Finanzierungs- oder Hebeleffekt - im Gegensatz zum Beispiel zu neuen Anteilen an Wind- oder Solarparkbetreibern sowie außerbörslichen Aktien“, erklärt er. Wer etwa 10.000 Euro in eine Solarparkbetreiber-KG investiere, ermögliche eine Investition von vielleicht 40.000 oder 50.000 Euro in weitere Solarmodule, da das Unternehmen mehr Kredit von der Bank bekomme. Außerdem fließe das Geld direkt an das Unternehmen und nicht an die Vorbesitzer der Aktien.