Die Zentralbanken stockten im Jahr 2022 die Goldreserven so kräftig auf wie noch nie seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1950. Laut dem World Gold Council waren es insgesamt 1136 Tonnen. Größter Nettokäufer war dabei die Türkei (148t), gefolgt von China (62t) und Ägypten (47t). Bei einem beträchtlichen Teil der Käufe sei der Käufer aber nicht bekannt, teilte das World Gold Council mit.
Der Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel, Thorsten Polleit, hält es indes für „nicht allzu wahrscheinlich“, dass eine Motivation für die Käufe sein könnte, Gold zur Einführung eines Goldstandards anzusammeln. Der Staat und andere einflussreiche Gruppen hätten kein Interesse daran, zum Goldgeld zurückzukehren. „Vermutlich bedarf es erst einer schweren Krise, durch die es dann keinen anderen Weg mehr gibt, das Vertrauen in die Währungen zu erhalten, als es mit Gold zu hinterlegen“, erklärt Polleit schriftlich auf ANG-Anfrage.
Auch der Leipziger Währungsexperte Gunther Schnabl hält es für „nicht gesichert“, ob man mit dem Gold eine Goldwährung aufbauen wolle oder könne. „Russland hat wegen des Krieges einen hohen Finanzierungsbedarf und China wegen der schwelenden Immobilienkrise“, antwortet der Ökonom auf ANG-Anfrage.
Gold ist Alternative zum Dollar
Die Nachfrage stamme überwiegend aus aufstrebenden Volkswirtschaften wie China, Indien oder Kasachstan. „Diese Länder sind seit vielen Jahren mit der lockeren Geldpolitik der Fed unzufrieden“, erklärt Schnabl. Die niedrigen Zinsen hätten die Länder mit Dollarbindung gezwungen, Dollar in großem Umfang zu kaufen. Da aufgrund der schnell wachsenden Bilanz der Fed das Vertrauen in den US-Dollar immer weiter gesunken sei, habe man sich nach Alternativen umgeschaut. „Gold ist eine solche Alternative, insbesondere auch dann, wenn man aus geopolitischen Gründen die USA nicht unterstützen will“, erklärt der VWL-Professor.
Thorsten Polleit zufolge hat neben der weltweit hohen Inflation auch das Einfrieren der russischen Währungsreserven durch die USA die Goldnachfrage angetrieben. „Das hat aus Sicht vieler Investoren das Risiko von US-Dollarreservepositionen erhöht.“
Der Übergang vom ungedeckten Papiergeld zum Goldgeld wäre nicht ohne große Widerstände zu bewerkstelligen, wie Polleit in seinem Buch „Geldreform“ schildert. Die regierenden Politiker und die von ihnen begünstigten Sondergruppen, etwa subventionierte Industriezweige oder die Banken, hätten ein großes Interesse an der Weiterführung des Staatsgeldsystems. Diese seien die Nutznießer der kreditfinanzierten Staatsausgaben, die wiederum durch inflationäre Geldproduktion gegenfinanziert würden.
Gleichzeitig werde die Öffentlichkeit von Politikern und Ökonomen im Dunkeln darüber gelassen, dass die ungedeckte Papiergeldschöpfung Schuld an der chronischen Inflation und den wiederkehrenden Wirtschaftskrisen sei. Vielmehr erzeugten diese den Eindruck, „dass das System der freien Märkte versagt hat und dass nur staatliches Eingreifen in das Marktgeschehen für Besserung sorgen kann“, erklärt Polleit.
Es gibt denn auch kaum professionelle Ökonomen, die sich für einen Goldstandard aussprechen – obwohl etwa das Wachstum in den USA oder Deutschland zur Zeit des internationalen Goldstandards wesentlich höher lag als heute, während die Inflation niedriger war. In einer Umfrage aus dem Jahr 2012 war kein einziger von 40 US-Top-Ökonomen der Meinung, ein Goldstandard würde das Leben des durchschnittlichen US-Amerikaners verbessern. Goldstandard meinte dabei, dass der Dollar als ein bestimmtes Gewicht an Gold definiert ist.
Papiergeldhalter wären Verlierer
Ein weiteres Problem: Der Übergang zum Goldstandard wäre mit drastischen Umverteilungswirkungen verbunden und käme einem sozialrevolutionären Eingriff gleich, wie Polleit in „Geldreform“ erklärt. „So werden zum Beispiel die Halter von Termin-, Bank- und Unternehmensschuldverschreibungen sowie Lebensversicherungsansprüchen verlieren und Besitzer von Gold und Silber gewinnen.“ Es würde also die Mehrheit der Bürger, die Papiergeldvermögen statt Gold halten, schlechter gestellt.
Etwa schlug der US-Ökonom Murray Rothbard in seinem Buch „The Mystery of Banking“ aus dem Jahr 1983 vor, dass der Übergang in zwei Schritten ablaufen sollte. In einem ersten Schritt sollten alle Goldreserven in den Tresoren der Notenbank in einem festen Umtauschverhältnis an die bestehende Geldmenge gekoppelt werden. Geldhalter sollten das Recht bekommen, Geldvermögen gemäß dem Verhältnis in Gold umzutauschen. In einem zweiten Schritt solle die Zentralbank abgeschafft und Bankfreiheit eingeführt werden. Es solle also jedem erlaubt sein, eigene Währungen herauszugeben. Rothbards Idee war, dass sich im Wettbewerb das beste Geld durchsetzen würde.
Eine solche Verankerung würde das Gold in der jeweiligen Währung erheblich aufwerten. Würde man etwa die Euro-Geldmenge M1 – also alles Bargeld und Sichteinlagen bei Banken – mit den Goldreserven von knapp 10.800 Tonnen der zwanzig Euroländer decken, läge der Unzenpreis bei 32.705 Euro. Würde man M3 decken, würde die Unze nach ANG-Berechnung sogar 46.405 Euro kosten.
Würde eine solche Reform von einem wichtigen Währungsraum vollzogen, etwa den USA, gerieten andere Währungsräume unter Druck, nachzufolgen. Investoren würden vermutlich in die gedeckte Währung fliehen und ungedeckte Papiergelder abstoßen, schreibt Polleit.
Dass sich etwas ändern muss, denkt indes auch Währungsexperte Gunther Schnabl. „Die Welt braucht wieder ein stabiles Geldsystem. Wie dieses aussehen wird, ist noch unklar.“ Entweder die USA erhöhten weiter trotz der Instabilitäten im Finanzsystem die Zinsen, oder China und Russland errichteten auf der Grundlage von Gold ein neues Bretton-Woods-System. Scheitere beides, könnte Bitcoin zur Weltleitwährung aufsteigen, erklärt Schnabl.
Die seit mindestens zwei Jahrzehnten expansive Geldpolitiken der Zentralbanken seien mit negativen Wachstums- und Verteilungseffekten einher gegangen, führt Schnabl aus, so dass die Welt und auch Deutschland politisch und wirtschaftlich instabiler geworden sei. Eine harte Währung sei nämlich das Rückgrat einer leistungsfähigen Marktwirtschaft.
Etwa sei die harte D-Mark lange Zeit der Grund für hohe Produktivitätsgewinne in Deutschland gewesen, die in Form von höheren Reallöhnen und dem Ausbau der Sozialsysteme umverteilt werden konnten. „Diese Produktivitätsgewinne sind mit dem weichen Euro verschwunden, so dass der Wohlstand in Deutschland inzwischen für alle sichtbar verfällt“, erklärt Schnabl und fügt hinzu: „Ein neuer Goldstandard würde helfen, den Wohlstand, die Infrastruktur und den sozialen Zusammenhalt in Deutschland zu sichern.“