Viele Unternehmen schieben angesichts unsicherer Rahmenbedingungen ihre Pläne für einen Börsengang auf. „Wir sehen derzeit eine große Zurückhaltung aufseiten der Börsenkandidaten - gerade Großunternehmen warten auf bessere Rahmenbedingungen“, analysierte Martin Steinbach, Partner bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY am Donnerstag.
Anhaltende geopolitische Spannungen und die jüngsten Turbulenzen im Bankensektor lassen Unternehmen abwarten. Weltweit wagten der EY-Zählung zufolge im ersten Quartal 299 Unternehmen den Sprung aufs Börsenparkett und damit acht Prozent weniger als im bereits vom Krieg in der Ukraine gedämpften Vorjahresquartal.
Die Unternehmen spielten bei diesen Börsengängen (Initial Public Offering/IPO) demnach 21,5 Milliarden Dollar ein und damit nicht einmal halb so viel wie ein Jahr zuvor (54,6 Mrd Dollar). Der größte Börsengang im ersten Quartal war nach EY-Angaben die Erstnotiz der Gassparte des Ölkonzerns Adnoc aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die 2,5 Milliarden Dollar einbrachte.
In Deutschland zählte EY in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres gerade einmal zwei Börsenneulinge: Das Webhosting-Unternehmen Ionos und die Beteiligungsgesellschaft Neon Equity. Im Gesamtjahr 2022 hatte es am deutschen Aktienmarkt fünf Börsendebüts operativer Unternehmen und zwei sogenannte SPAC-Emissionen gegeben. SPACs (Special Purpose Acquisition Companies) sind zunächst leere Unternehmenshüllen. Sie listen ihre Aktien als eine Art Platzhalter, um später einmal mit Firmen verschmolzen zu werden und diese so auf kurzem Wege an die Börse zu holen.
Nach Einschätzung von Steinbach stehen noch etliche Unternehmen in den Startlöchern. Er rechnet damit, dass sich die konjunkturellen Rahmenbedingungen im laufenden Jahr verbessern werden: «Die chinesische Wirtschaft fasst nach der Pandemie wieder Tritt, und die US-Konjunktur entwickelt sich recht stark, wovon auch europäische Unternehmen profitieren werden», erklärte der EY-Partner. „Damit könnten sich die Rahmenbedingungen für IPO-Kandidaten in den kommenden Monaten verbessern, vor allem in der zweiten Jahreshälfte.“