Offene Immobilienfonds sind bei den Deutschen extrem beliebt. Insgesamt steckten zum 31. Dezember 2022 knapp 132 Milliarden Euro in den Fonds, die vorwiegend Büro- und Gewerbeimmobilien im westeuropäischen Raum halten. Das war ein Anstieg um 500 Millionen Euro zum Vorjahr, wie der deutsche Fondsverband BVI berichtet. Insgesamt entspricht das rund 10 Prozent der investierten Gelder in offenen Publikumsfonds (einschließlich ETFs).
Der Honorar-Finanzanlagenberater Andree de Boer rät dennoch von einem Kauf ab. „Immobilienfonds sind im Vergleich zu alternativen Anlagemöglichkeiten unflexibel, intransparent und teuer“, erklärt er schriftlich auf ANG-Anfrage. Etwa müssten Anleger Anteile im Anschluss an den Kauf mindestens 24 Monate halten und würden einer Kündigungsfrist von 12 Monaten unterliegen.
Die Renditen sind zudem eher mau. Etwa untersuchte Stiftung Warentest im März 2020 dreizehn entsprechende Fonds aus Deutschland, die mit knapp 90 Milliarden Euro Fondsvermögen für einen Großteil des heimischen Marktes stehen. Die Zugewinne lagen dabei über die vergangenen fünf Jahre zwischen 2,1 und 3,3 Prozent pro Jahr. Bloß zwei Ausreißer lagen mit 4,7 und 8,9 Prozent deutlich höher. „Ihre Wertentwicklung war meist nicht üppig, aber stabil“, schreiben die Verbraucherschützer angesichts des Immobilienbooms in dem Zeitraum.
Hohe Kosten
Ein Grund für die schwache Performance waren die hohen Kosten von 0,72 bis 1,45 Prozent pro Jahr. „Günstig sind die Fonds nicht“, kommentierte denn auch Stiftung Warentest.
Der Vermögensberater Gerd Kommer hat sich die Renditen über lange Zeiträume angeschaut und fällt ein hartes Urteil. Die drei größten offenen Immobilienfonds aus Deutschland hätten „grottenschlecht rentiert“, schreibt er in einem Fachbeitrag. Etwa rentierten die drei europaweit investierenden Immobilienfonds zwischen 2004 und 2021 zwischen 2,2 und 2,7 Prozent. Ein europaweit gestreuter Immobilienaktien-ETF kam hingegen auf 8,8 Prozent pro Jahr im gleichen Zeitraum.
Dabei seien die Renditen der offenen Immobilienfonds nach oben verzerrt, führt Kommer aus. Denn zwischen 2004 und 2017 seien 20 offene Immobilienfonds geschlossen worden. Die 31 noch existierenden Fonds seien somit die besonders erfolgreichen Fonds, während die schlechten Renditen der geschlossenen Fonds nicht im Datensatz enthalten seien. Ohne diesen Mangel der Daten wäre die Rendite „weit niedriger“.
Laut Andree de Boer sind die offenen Immobilienfonds auch nicht so sicher, wie sie scheinen. „Der aktuelle Rückkaufswert ist für den Anleger nicht aussagekräftig“, erklärt der Hamburger. „Zum einen, weil die Bewertung nur quartalsweise erfolgt, zum anderen, weil der Fonds ohnehin erst nach 12 Monaten zurückgegeben werden kann.“
Zwei externe, voneinander unabhängige Gutachter müssen nämlich mindestens vierteljährlich sämtliche Grundstücke und Immobilien aus dem Fondsvermögen bewerten. Auf Basis der Gutachten legt die Fondsgesellschaft den Rücknahmepreis fest, zu dem sie Anteile nach Ablauf der einjährigen Kündigungsfrist zurücknimmt. Ein Anleger muss also bereits heute unwiderruflich entscheiden, ob er seine Anteile in einem Jahr zurückgibt, aber weiß noch nicht sicher, welchen Preis er für diese erhalten wird.
Liquiditätsrisiko im Crash
Das kann sich insbesondere in Krisen rächen. „In einer schweren Marktkrise wird die Rückgabe zum ‘ausgewiesenen Marktkurs’ mit einiger Wahrscheinlichkeit nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich sein“, schreibt Gerd Kommer. Etwa seien im Anschluss an die globale Immobilienkrise im Jahr 2008 rund die Hälfte der 40 offenen Immobilienfonds in Deutschland geschlossen worden.
Anleger verzeichneten zweistellige Verluste oder kamen jahrelang nicht an das investierte Geld heran. Auf dem Zweitmarkt seien Anteile mit Abschlägen von bis zu 80 Prozent gehandelt worden. „Im Ergebnis kam es 2013 zu einem aufsichtsrechtlichem Mini-Reförmchen“, schreibt Kommer. Nun gelte eine Mindesthaltedauer von 24 Monaten und eine Kündigungsfrist von 12 Monaten. Die Hauptschwäche der offenen Immobilienfonds – aus einem illiquiden Immobilien-Direktinvestment eine quasi-täglich verfügbare Anlage zu machen – besteht Kommer zufolge aber weiter fort.
Der Honorarberater Andree de Boer rät denn auch Anlegern, die Anteile an einem offenen Immobilienfonds halten, sich nach Alternativen umzuschauen. „Generell kann man sagen, dass es keinen Grund gibt, nicht lukrative Anlagen im Portfolio zu halten.“
ETFs auf Immobilien-AGs sind laut de Boer der geeignetste Weg, um in die Immobilienmärkte zu investieren. Auch REITs könnten eine Alternative sein. Dabei solle das Fondsvermögen relativ hoch sein und die laufenden Kosten (TER) sollten unter 0,5 Prozent pro Jahr liegen. Über Suchmaschinen wie JustETF oder ExtraETF fänden Anleger ETFs nach Regionen sortiert, etwa auf den Index FTSE EPRA/NAREIT Developed Europe.
Wer dennoch auf offene Immobilienfonds setzen will, der soll laut der Verbraucherzentrale Geld „stets“ auf mehrere Fonds verteilen. Außerdem sollten die Kosten nicht über 1,2 Prozent pro Jahr liegen und das Fondsvolumen solle mindestens 500 Millionen Euro betragen.