Als die Inflationsraten 2021 erstmals seit Jahren wieder anstiegen, entbrannte unter Ökonomen eine Debatte darüber, ob die gestiegene Inflation dauerhaft oder nur vorübergehend sein würde. Die Zentralbanker – allen voran Jerome Powell, Chef der US Federal Reserve (Fed) – versuchten die Märkte zu beschwichtigen und bekräftigten ihre Ansicht, die Inflation würde bald schon wieder sinken. Vor dem US-Kongress sagte Powell aus, dass er davon ausgehe, die Inflation würde 2022 näher am Ziel der Notenbank von 2 Prozent liegen.
Inzwischen deutet viel darauf hin, dass sie falsch lagen. Die höhere Inflation ist gekommen, um zu bleiben. Im Dezember lag die Inflation in den USA bei 7 Prozent und damit auf dem höchsten Stand seit mehr als vierzig Jahren. Angetrieben wurde die Preisanstiege zum großen Teil von steigenden Energie- sowie Automobilpreisen. Aber auch Baustoffe und Lebensmitteln verteuerten sich deutlich. Und der Preisanstieg ist nicht auf die USA begrenzt, sondern längst in Europa angekommen.
Inflation in USA und Europa steigt weiter
Auch in Europa stiegen die Preise in den letzten Monaten stark an. Für Deutschland rechnet das ifo-Institut mit einer Inflationsrate von 4 Prozent. Laut einer Unternehmensumfrage plant die Mehrheit der Firmen, die Preise anzuheben. „Die Unternehmen geben die gestiegenen Kosten für Energie sowie bei der Beschaffung von Vorprodukten und Handelswaren an ihre Kunden weiter“, sagte der Leiter der Ifo-Konjunkturprognosen, Timo Wollmershäuser. „Das wird bis auf die Verbraucherpreise durchschlagen.“
Doch die Prognose von 4 Prozent aufs gesamte Jahr betrachtet könnte noch zu optimistisch sein. Denn laut Statistischem Bundesamt (Destatis) lag die Inflationsrate im Januar bereits bei 4,9 Prozent. „Die Inflationsrate hat sich im Januar etwas abgeschwächt, nachdem sie im Dezember den höchsten Wert seit fast 30 Jahren erreicht hatte. Sie bleibt aber auf einem hohen Stand“, sagt Dr. Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes. Wie das Statistische Bundesamt weiter mitteilt, stiegen die Verbraucherpreise im Vergleich zum Dezember 2021 um 0,4 %.
Energie- und Lebensmittelpreise als Inflationstreiber
Am stärksten stiegen zwischen Januar 2021 und Januar 2022 laut Destatis die Preise für Energieprodukte (+20,5 Prozent), insbesondere die Preise für Kraftstoffe und Haushaltsenergie. Unter den Haushaltsenergiepreise verteuerten sich besonders Heizöl (+51,9 Prozent), Erdgas (+32,2 Prozent) und Strom (+11,1 Prozent). Als Hauptgründe für die sprunghaft gestiegenen Energiekosten nannte Destatis neben krisenbedingten Faktoren (u.a. Lieferengpässe) vor allem die zu Jahresbeginn von 25 auf 30 Euro pro Tonne CO2 gestiegene CO2-Abgabe sowie gestiegene Netzentgelte beim Strom.
Ein weiterer „Preisschock“ erwartet Verbraucher laut einer Prognose des ifo-Instituts bei Lebensmitteln. Durch die Preisanstiege bei Diesel und Dünger sehen sich Bauern gezwungen, die Lebensmittelpreise drastisch anzuheben. Laut Berechnungen des Deutschen Bauernverbands (DBV) führen allein die verteuerten Düngemittel und Treibstoffe dazu, dass die Produktionskosten im Ackerbau um 20 bis 30 Prozent steigen würden. Deshalb rechnet das ifo-Institut mit einem Preisanstieg bei Lebensmitteln um bis zu 7 Prozent.
Was bedeutet die dauerhaft gestiegene Inflation für Anleger?
Die Phase der höheren Inflation ist keineswegs vorübergehend, sondern nach Ansicht vieler Experten von Dauer. Nicolai Tangen, seines Zeichens Chef des norwegischen Staatsfonds und damit Verwalter des weltweit größten Fonds, geht von einer dauerhaft höheren Inflation aus. „Wir sehen das überall, an immer mehr Orten. Ikea hat die Preise um 9 Prozent erhöht, die Lebensmittelpreise sind gestiegen, die Frachtraten sind weiterhin sehr hoch, die Lkw-Tarife, Metalle, Rohstoffe, Energie, Gas .... Und auch bei den Löhnen gibt es Anzeichen dafür“, sagte Tangen gegenüber der Financial Times. „Wie wird sich das auswirken? Es trifft Anleihen und Aktien zur gleichen Zeit ... in den nächsten Jahren wird es beide treffen.“
Der Aktienmarkt hat 2022 mit starken Einbußen begonnen. Neben der Inflation waren dafür vor allem die von der Fed angekündigten Zinserhöhungen sowie die Unsicherheit um einen drohenden Ukraine-Konflikt ausschlaggebend. Wer als Anleger also auf Aktien als Inflationsschutz setzen will, braucht starke Nerven und ein gutes Händchen bei der Auswahl. Denn nicht alle Aktien eignen sich in inflationären Zeiten. Wenn die Inflation gepaart mit einer wirtschaftlich angespannten Situation daherkommt, sollte Anleger auf defensive Aktien, etwa aus der Lebensmittelbranche setzen. Resultiert die Inflation dagegen aus starkem Wirtschaftswachstum, lohnen sich eventuell eher zyklische Aktien aus Industrie und Finanzen. Wichtig bei der Auswahl ist in jedem Fall ein Blick in die Bilanz des Unternehmens. Zwar verlieren die Schulden bei hoher Inflation an Wert, aber zugleich steigen auch die Finanzierungskosten für das Unternehmen.
Edelmetalle als Inflationsschutz
Noch vor Aktien gilt aber Gold als sicherer Hafen und Inflationsschutz. Wer als Anleger bisher noch nicht auf das Edelmetall gesetzt hat, tut gut daran, diese Entscheidung zu überdenken. Denn Gold hat sich in inflationären Zeiten historisch bewährt, wie eine Untersuchung der Frankfurter Goethe-Universität zeigt. Demnach hat Gold in Zeiten steigender Inflation eine höhere Rendite erzielt als andere Vermögenswerte wie Aktien und Rohstoffe. Betrachtet man nur das letzte Jahr steigender Inflationsraten, so hat Gold zwischen Januar 2021 und Januar 2022 um rund 3 Prozent an Wert gewonnen. Eine Beimischung zum Portfolio kann für Anleger also die Funktion eines Inflationsschutzes erfüllen.
Die steigenden Inflationsraten und Energiepreise haben Anleger bereits in verstärkt in Rohstoffe getrieben. Die Logik vieler Anleger dahinter: Bei steigender Inflation schützen harte Vermögenswerte wie Rohstoffe. Und diese Vermögenswerte werden sich weiter verteuern, wenn Zentralbanken es nicht schaffen, die Inflation unter Kontrolle zu bekommen. Auch die Untersuchung der Goethe-Universität kommt zu dem Schluss, dass Rohstoffe nach Gold die zweitbeste Rendite in inflationären Zeiten erzielt haben. Doch diese Wette könnte sich als riskant erweisen. Denn wenn die Zinserhöhungen der Zentralbanken – wie von vielen Marktteilnehmern erwartet – die Konjunktur abwürgen, fällt auch die Nachfrage nach Rohstoffen wieder rapide und damit sinken die Preise. Dann wird die Rohstoffwette zur Anlegerfalle.
Eine weitere Möglichkeit für Anleger, ihr Vermögen vor Wertverlust absichern, sind sogenannte Inflationsanleihen. Das können sowohl Unternehmens- als auch Staatsanleihen mit integriertem Inflationsausgleich sein. Dabei leiht der Anleger einem Unternehmen oder einem Staat über einen festgelegten Zeitraum Kapital und erhält diesen am Laufzeitende zuzüglich Zinsen zurück. Wenn sich in der Zwischenzeit die Inflation erhöht hat, erhöhen sich auch die zurückgezahlten Beträge entsprechend, sodass es nicht zum Wertverlust für den Anleger kommt. Dafür fällt der feste Bestandteil der Zinsen in der Regel niedriger aus als bei klassischen Anleihen.