Was haben Rap-Mogul Jay-Z, Fußballstar Robert Lewandowski und Ex-US-Wirtschaftsminister Wilbur Ross gemeinsam? Sie alle geben ihre Namen her für sogenannte Special Purpose Acquisition Companies – kurz SPACs – und befeuern so einen der derzeit größten, aber auch umstrittensten Hypes am Finanzmarkt. SPACs sind zunächst nur leere Unternehmenshüllen. Sie listen ihre Aktien als eine Art Platzhalter, um später einmal mit Firmen verschmolzen zu werden und diese so auf kurzem Wege durch die Hintertür an die Börse zu holen.
Für Anleger bedeutet dies, dass dem jeweiligen SPAC quasi ein Blankoscheck ausgestellt wird. Denn an welchen Unternehmen man sich über ein solches Finanzvehikel letztlich beteiligt, ist in der Regel erst mal unklar. So gesehen kaufen Investoren die sprichwörtliche Katze im Sack und müssen dann hoffen, dass die Initiatoren bei der Suche nach einem guten Börsenkandidaten ein glückliches Händchen beweisen. Dennoch erleben SPACs momentan einen beispiellosen Boom, den einige Experten für ein zunehmend riskantes Phänomen halten.
Neben Kryptowährungen und Spekulationsobjekten wie „Meme“-Aktien von Unternehmen wie Gamestop sind die leeren Börsenhüllen in diesem Jahr das heißeste Thema in der Finanzwelt. Dem Marktforscher SPAC Research zufolge gingen 2021 bereits 298 solcher Zweckgesellschaften an die US-Börse, mit denen insgesamt 97,3 Milliarden Dollar eingesammelt wurden. Der Rekord aus dem Vorjahr, als 248 SPACs rund 83,4 Milliarden Dollar erlösten, wurde schon nach weniger als drei Monaten eingeholt. Dabei war 2020 bereits mehr Geld mit SPACs bei Investoren eingeworben worden als im gesamten vorherigen Jahrzehnt.
Wer profitiert vom Hype?
Was sind die Gründe für den Hype? Wer profitiert? Und: Welche Gefahren gehen davon aus? Aus Unternehmenssicht ist die Fusion mit einem SPAC vor allem eine Abkürzung auf dem Weg an die Börse, die Kosten für die Beratung und Betreuung durch Investmentbanken und den Aufwand einer klassischen Premiere am Aktienmarkt sparen kann. Das Blankoscheck-Konzept ist in anderen Bereichen des professionellen Kapitalmarkts seit langem verbreitet. Viele Private-Equity-Fonds etwa sammeln seit jeher enorme Summen an Mitteln von Investoren ein, ohne vorher klar zu sagen, was genau mit dem Geld geschehen soll.
Auch SPACs sind nicht neu, nur spielten sie in der Vergangenheit keine große Rolle, was den jüngsten Boom noch erstaunlicher macht. Die größten Gewinner sind laut Stanford-Professor Michael Klausner, der intensiv zu dem Thema geforscht hat, die sogenannten Sponsoren der SPACs. Sie finanzieren die ersten Einlagen und erhalten meist 20 Prozent der Anteile an den Zweckgesellschaften, bevor weitere Investoren an Bord gehen. Das meiste Geld kommt laut Klausner von Hedgefonds, die am Markt auch als „SPAC-Mafia“ bekannt seien. Sie steigen frühzeitig beim Börsengang ein – zu lukrativen Konditionen.
Wird später durch eine SPAC-Fusion ein Unternehmen an die Börse geholt, wofür die Finanzvehikel normalerweise zwei Jahre Zeit haben, können sich die Sponsoren die Hände reiben. Klausners Studie zufolge machten sie zwischen Januar 2019 und Juni 2020 durchschnittlich 500 Prozent Rendite. Auch die institutionellen Früheinsteiger schnitten demnach gut ab, doch die meisten Anleger mit Aktien von Unternehmen, die über SPAC-Fusionen an die Börse gingen, erlitten Verluste. Im Schnitt büßten sie der Analyse nach in den ersten sechs Monaten zwölf Prozent an Wert ein, obwohl der Aktienmarkt insgesamt kräftig stieg.
Die große Masse wird benachteiligt
Für Experte Klausner ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Masse der SPAC-Aktionäre versteht, wie sehr sie durch die Struktur der Finanzvehikel benachteiligt wird. Was dann passiere, sei klar: „Die SPAC-Blase wird platzen.“ Derweil zieht das Geschäft mit den Börsenhüllen immer mehr Promis an – ein Phänomen, das in der Vergangenheit schon bei anderen Exzessen am Finanzmarkt zu beobachten war. Die Liste bekannter Namen, die beim SPAC-Hype mitmischen, reicht von Sportstars wie Shaquille O'Neal, Serena Williams und Robert Lewandowski über Entertainment-Größen wie Jay-Z oder Ciara bis hin zu Spitzenpolitikern und Top-Managern wie Larry Kudlow oder Gary Cohn.
Angesichts der immer krasseren Ausmaße, die der Boom annimmt, sah sich die US-Börsenaufsicht SEC zuletzt bereits zu einer Warnung veranlasst. Dass Prominente Werbung für SPACs machten oder sogar als Sponsoren und Investoren mit von der Partie seien, bedeute nicht, dass es sich um geeignete Investments handele, mahnte die Behörde in einem „Investor Alert“. Es sei nie eine gute Idee, Geld in ein SPAC zu stecken, nur weil jemand Berühmtes dies empfehle. Während Experten und Aufseher in den USA die Alarmglocken läuten, ist die SPAC-Manie in Europa bislang nicht so richtig angekommen – noch nicht?
In Deutschland gab es zuletzt gerade mal einen SPAC-Börsengang. Start-up-Investor Klaus Hommels brachte damit im Februar die erste solche Unternehmenshülle seit mehr als zehn Jahren an eine deutsche Börse, wenn auch bislang ohne Ziel. Im Frankfurter Bankenviertel steigt jetzt die Spannung: Ist es ein bleibender Trend oder eine Eintagsfliege? Auf jeden Fall treibt das Thema auch etliche deutsche Manager um. So will Ex-Commerzbankchef Martin Blessing mit einem SPAC an der Amsterdamer Börse bis zu 415 Millionen Euro auftreiben. Auch Rocket-Internet-Mitgründer Oliver Samwer und Hellofresh-Chef Dominik Richter haben schon die Weichen gestellt, allerdings an der US-Börse.
Deutsche Bank zählt zu den Gewinnern
Ein weiterer Profiteur der SPAC-Bonanza ist die Deutsche Bank. Das eigentlich seit Jahren schon krisengeplagte Geldhaus zähle trotz Personaleinschnitten in der Aktien-Analyse zu den großen Gewinnern des Booms und greife mehr Deals ab als große US-Konkurrenten wie die Bank of America oder JPMorgan Chase, berichtete der Finanzdienst Bloomberg kürzlich. Das berge jedoch die Gefahr eines Rückschlags, sollte der Hype jäh enden. Die Deutsche Bank scheint aber unbesorgt. Man sei seit über zehn Jahren im SPAC-Geschäft und habe schon andere Marktschwankungen erlebt, sagte der zuständige Manager Eric Hackel.
Eine weitere Frage ist, was die Masse an „trockenem Pulver“, auf der die SPACs sitzen, für die Finanzmärkte insgesamt bedeutet. Angesichts extrem niedriger Zinsen und enormer Geldmengen, die Notenbanken im Kampf gegen die Corona-Krise in den Finanzsektor gepumpt haben und die auch den SPAC-Boom kräftig angetrieben haben dürften, nehmen Inflationsängste und Sorgen vor Spekulationsblasen ohnehin schon zu. Großinvestoren wie Warren Buffett tun sich zudem seit langem schwer, Übernahmeziele zu finden, weil ihnen die Bewertungen zu hoch sind. Fest steht: Für die Hunderten von Blankoscheck-Finanzvehikeln dürfte die Suche nach attraktiven Firmen nicht unbedingt einfach werden.
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