Analyse von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE:
Die Märkte wissen nicht recht, auf welches Standbein sie sich stützen sollen. Nachdem der US-Arbeitsmarktbericht überraschend schwach ausfiel, auch wenn dies u. a. aufgrund rechnerischer Verzerrungen relativ zu sehen ist, schienen sich in der Geldpolitik Perspektiven aufzutun. Die vor kurzem veröffentlichten Inflationsstatistiken machten die Erwartungen jedoch zunichte.
Mit einem Anstieg von 4,2 % gegenüber dem Vorjahr verzeichnen die Verbraucherpreise das größte Plus seit 2008 bzw. sogar seit 1996, berücksichtigt man den Zuwachs des Kernindex – ausgenommen Energie und Lebensmittel – der im Jahresvergleich bei +3,0 % liegt. Diese wichtige Kennzahl stieg allein im April um 0,9 % und somit deutlich stärker als um die erwarteten 0,3 %. Es ist die größte monatliche Veränderung seit September 1981. Allerdings beinhaltet diese monatliche Veränderung des Kernindex weder den günstigen Basiseffekt gegenüber dem Frühjahr 2020, der die Änderung zum Vorjahr abbildet, noch die unmittelbare Auswirkung der in der Gesamtinflation enthaltenen Rohstoffpreise. Damit gewinnt ein Szenario der inflatorischen Überhitzung, das bisher kaum durch die gemeldeten Daten gestützt wurde, an Bedeutung.
Nachfrage nach Gebraucht- und Mietwagen treibt starkes Preiswachstum
Durch eine genauere Analyse können Überinterpretationen vermieden werden. Denn dieses sehr starke Wachstum der Preise in den USA konzentriert sich im Wesentlichen auf eine Branche: das Transportwesen. Der Preisanstieg in dieser Branche macht 50 % des monatlichen Preisanstieges des Dienstleistungssektors und bis zu 75 % des Anstiegs der Warenpreise aus. Zwei Segmente veranschaulichen diesen Zuwachs: die Preise für Gebrauchtwagen, die im Monatsverlauf um 10 % (21 % ggü. dem Vorjahr) zugelegt haben, und die für Mietfahrzeuge, die um 16,2 % (82,2 % ggü. dem Vorjahr) angestiegen sind. Die Engpässe in der Automobilindustrie – insbesondere bei Halbleitern – beeinträchtigen die Herstellung von Neuwagen erheblich. Privatkunden und Autovermieter greifen daher auf den Gebrauchtwagenmarkt zurück, dessen Angebot naturgemäß begrenzt ist, während die Nachfrage explodiert. Auch wenn diese Zahlen keine große Überraschung darstellen – die Frühindikatoren deuten seit Wochen auf diese Anstiege hin – ist ihr Ausmaß dennoch erstaunlich.
Droht jetzt die Inflationsspirale?
Angesichts dieser Erklärung könnte man versucht sein, der von der US-Notenbank angekündigten Aussicht einer vorübergehenden, Sondereffekten geschuldeten Inflation beizupflichten. In diese Richtung wird Jerome Powell bei der nächsten Sitzung der Zentralbank im Juni vermutlich argumentieren und sich dabei überdies auf schwer zu deutende Beschäftigungszahlen stützen. Dennoch scheint die Gefahr einer Inflationsspirale nicht gebannt werden zu können. Obwohl ein deutlicher Anstieg erwartet worden war, übertraf die Inflation die Erwartungen bei weitem.
Einige strukturelle Komponenten, insbesondere im Bereich Wohnen, weisen bei den Inflationszahlen nach wie vor noch einen schwachen Anstieg auf, während die Frühindikatoren auf starke Steigerungen hindeuten. Darüber hinaus ist die Möglichkeit einer ausgeprägten Lohninflation in Anbetracht einiger Daten nicht auszuschließen. So übertraf der Prozentsatz der Personen, die ihre Beschäftigung freiwillig aufgegeben haben, das Vorkrisenniveau. Dies zeugt von Vertrauen in den Arbeitsmarkt. Die Anzahl der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mit offenen Stellen erreichte einen historischen Höchststand. Dies bietet für die Gehaltsverhandlungen bei der Einstellung erhebliche Möglichkeiten.
Fed-Tapering: US-Notenbank unter Zugzwang?
Der Inflationsanstieg ist an sich noch kein Grund zur Sorge. Er spiegelt die Stärke der wirtschaftlichen Erholung wider, und die Fed besitzt die Mittel, darauf zu reagieren. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die Zentralbank vor Ende des Sommers Andeutungen hinsichtlich einer künftigen Drosselung der Wertpapierkäufe, eines Tapering, geben wird. Bei genauerem Hinsehen sollte die Sorge der Märkte weniger dem Zeitpunkt gelten, zu dem sich die Fed äußern wird, als der Höhe der monatlichen Drosselung der Nettowertpapierkäufe und dem Tempo des künftigen Tapering – sprich die Frist für die Senkung der Nettowertpapierkäufe auf null. In dem Bestreben, Zeit zu gewinnen, könnte die Fed gezwungen sein, fester auf die Bremse zu treten als von den Anlegern erwartet. Oder zumindest fester, als die Aktienmärkte bei ziemlich hohen Bewertungen ohne größere Rückschläge verkraften können.
Die Fondsgesellschaft LFDE wurde 1991 in Frankreich gegründet und konzentriert sich auf Investments in europäische und internationale börsennotierte Unternehmen. LFDE ist in Deutschland, Spanien, Italien, der Schweiz und in den Benelux-Ländern vertreten und verwaltet zum 31.12.2019 Vermögen in Höhe von rund 10 Milliarden Euro.
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