Den Superreichen sind bei der Wahl ihrer Offshore-Konten vor allem zwei Aspekte wichtig: einfacher Zugang und strikte Geheimhaltung. Wer an Steueroasen denkt, dem kommen deshalb zuerst die üblichen Kandidaten in den Kopf: die altehrwürdige Schweizer Bank oder das Offshore-Konto in der Karibik. Auch wenn diese beiden Regionen auch heute noch eine wichtige Rolle bei der Steuervermeidung spielen, sind doch längst andere Länder in die Liste der wichtigsten Steueroasen der Welt aufgerückt. Wir werfen deshalb einen Blick auf die zehn größten Steueroasen der Welt. Dabei stützen wir uns auf die Erkenntnisse des 2020 erschienenen Financial Secrecy Index (FSI), der von der englischen NGO Tax Justice Network herausgegeben wird.
Der FSI bewertet die Steueroasen dabei nach den zwei Kriterien: Geheimhaltung und Umfang der Steuervermeidung. Die erste Kennzahl zur Geheimhaltung beleuchtet, wie gut das Bankensystem des Landes Geld verstecken kann. Das beinhaltet eine Analyse der Eigentumsregistrierung, der Transparenz von juristischen Personen, der Steuer- und Finanzvorschriften und der Zusammenarbeit mit internationalen Standards. Beim zweiten Punkt geht es um die Frage, wie hoch der Anteil des jeweiligen Landes an den gesamten grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen ist, was hauptsächlich auf der Zahlungsbilanzstatistik des Internationalen Währungsfonds (IWF) basiert.
Platz 10: Vereinigte Arabische Emirate (VAE)
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind neu in die Top 10 aufgestiegen, nachdem eine Untersuchung ergeben hatte, dass sie von 250 Milliarden Dollar an multinationalen Geldern profitiert haben, die über die Niederlande dorthin geleitet wurden. Einem Bericht des Guardian zufolge haben sich die VAE zu einem neuen Ziel für multinationale Unternehmen entwickelt, die in Afrika und im Nahen Osten tätig sind. Vor allem in Dubai, einem der sieben Emirate, ist über die letzten Jahre ein von hoher Geheimhaltung geprägtes Finanzsystem entstanden. Dubais Regierung stellt keine unangenehmen Fragen über die Herkunft der Gelder, was das kleine Emirat zum Anlaufpunkt für hochrangige Kriminelle aus aller Welt macht.
Platz 9: British Virgin Islands
Die Jungfern-Inseln gehören zum britischen Überseegebiet und sind ein steuerfreies Gebiet. Das bedeutet, sie erheben keine Steuern auf Einkommen, Kapitalerträge, Verkäufe, Gewinne, Erbschaften und Körperschaften. Damit gehört die Inselgruppe laut dem FSI-Bericht zu den „größten Ermöglichern von Steuermissbrauch durch Unternehmen“. Hinzu kommt, dass Unternehmensgründungen einfach und die finanziellen Berichtsanforderungen minimal sind. Außerdem können Unternehmen mit Sitz auf den Jungfern-Inseln ohne Einschränkung global operieren, was die Inselgruppe zu einem beliebten Ziel für Briefkastenfirmen aus der ganzen Welt macht.
Platz 8: Niederlande
Die Niederlande haben sich über die Jahre zu einer echten Hochburg für Briefkastenfirmen entwickelt. Das Steuersystem des Landes macht es vor allem Unternehmen einfach, dort niederländische Zweigstellen zu gründen und so die Besteuerung ihres Heimatlandes zu umgehen.
Dies liegt daran, dass die Niederlande Unternehmen, die ansonsten nicht in ihrem Hoheitsgebiet ansässig sein würden, bewusst die Möglichkeit bieten, ihre Steuerlast auf Zinsen, Lizenzgebühren, Dividenden und Kapitalerträge von ausländischen Tochtergesellschaften zu senken. Mehr noch: Von den Niederlanden aus werden Konzerngewinne dann oftmals in die klassischen Offshore-Häfen in der Karibik – Bermuda und Cayman Islands – verschoben und die Steuerlast so unter fünf Prozent gedrückt. Schätzungen der OECD gehen davon aus, dass so jährlich etwa 90 Milliarden Dollar über niederländische Konten geschleust werden.
Platz 7: Japan
Eine echte Überraschung für viele dürfte die hohe Platzierung Japans auf der Liste der Steueroasen sein. Dabei ist die Körperschaftssteuer dort mit rund 30 Prozent sogar für Industrienationen vergleichsweise hoch. Wie kommt es dann zu dieser Platzierung? Das liegt in erster Linie an den niedrigen Einkommenssteuern. Ein Alleinstehender musste in Japan 2017 nur 22,3 Prozent seines Einkommens an den Staat überweisen. Damit liegt Japan unter den zehn OECD-Ländern mit der niedrigsten Einkommenssteuer und deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 25,5 Prozent. Ein anderer Grund für die hohe Platzierung: In Japan befinden sich 2,2 Prozent aller weltweiten Offshore-Konten. Das macht Japan zu einem großen Player auf dem Markt der Steueroasen.
Platz 6: Luxemburg
Das Herzogtum Luxemburg landet wieder einmal weit vorne auf der Liste der Steueroasen. Hauptgrund dafür ist, dass in Luxemburg mit 12 Prozent noch immer ein Großteil der weltweiten Offshore-Konten beheimatet ist. Luxemburg bietet Vermögenden einen weiteren Vorteil, den andere Steueroasen nicht haben. Als Gründungsmitglied der Europäischen Union ist Luxemburg direkt an den EU-Markt angeschlossen. Außerdem profitiert Luxemburg bis heute davon, dass es größtenteils die Rückendeckung der europäischen Eliten genießt. So war etwa Jean-Claude Juncker, ehemaliger Finanz- und Premierminister Luxemburgs, lange Jahre EU-Kommissionspräsident. Unter ihm entstand im Herzogtum ein von extremer Geheimhaltung geprägtes Finanzsystem, dass sich jahrelang allen Transparenz-Bestrebungen widersetzte.
Platz 5: Singapur
Der südostasiatische Stadtstaat Singapur verdankt seine hohe Platzierung sowohl der hohen Geheimhaltung in Bezug auf Offshore-Konten, als auch des hohen weltweiten Anteils an Steuervermeidung. Insgesamt fünf Prozent aller Offshore-Konten befinden sich dort. Singapur konkurriert dabei mit Hongkong um die Gunst asiatischer Superreicher. Während in Hongkong traditionellerweise Nordasiaten und Chinesen ihre Vermögenswerte parken, waren es in Singapur vor allem Südostasiaten. Doch durch den stärkeren Zugriff der chinesischen Regierung auf Hongkong haben auch viele Chinesen nun Singapur als neues Offshore-Zentrum ausgemacht. Laut einem Bericht der Boston Consulting Group von 2019 befanden sich rund 900 Milliarden Dollar auf Konten in Singapur. Damit liegt der südostasiatische Stadtstaat auf Platz 3 weltweit, wenn es um den Umfang der Offshore-Konten geht.
Platz 4: Hongkong
Auf Platz 4 landet mit Hongkong eine weitere ehemalige britische Kronkolonie. In der asiatischen Hafenstadt befinden sich etwa 4,4 Prozent aller Offshore-Konten. Im Hongkonger Finanzdistrikt wurden 2018 laut einem Bericht mehr als drei Billionen Dollar verwaltet, davon mehr als 900 Milliarden Dollar auf privaten Konten. Traditionellerweise versuchten dort vor allem reiche Chinesen ihr Vermögen vor dem Zugriff der kommunistischen Partei in Sicherheit zu bringen. Hongkong weist weltweit die zweithöchste Dichte an Superreichen auf (nur New York zieht noch mehr Milliardäre an). In den vergangenen Jahren ist Hongkongs Rolle als asiatische Steueroase stetig gewachsen. Das könnte sich jedoch durch die entstandene politische Instabilität sowie durch Chinas Ankündigung, Macau zum Finanzzentrum für Offshore-Aktivitäten auszubauen, bald ändern.
Platz 3: Schweiz
Im letzten FSI-Report von 2018 landete die Schweiz noch auf Platz 1 der Steueroasen. Seitdem ist die kleine Alpenrepublik, die seit Jahrzehnten als sicherer Hafen für Superreiche gilt, zwei Plätze gefallen. Grund für die leichte „Verschlechterung“ ist der Ausbau des automatischen Informationsaustauschs von Bankkundendaten (AIA). Trotzdem sei es noch immer verhältnismäßig einfach für sehr Vermögende, ihr Geld am Fiskus ihres Heimatlandes vorbei in der Schweiz zu verstecken, bemängeln die Experten. Als Beispiel führen sie die Enthüllungen über die Offshore-Konten von Isabell dos Santos an, der Tochter des langjährigen Präsidenten Angolas.
Platz 2: USA
Für manche dürfte dies die größte Überraschung auf der Liste sein, denn die USA führen seit Jahren offiziell den internationalen Kampf gegen Steueroasen an. So hat etwa US-Präsident Joe Biden jüngst eine globale Minimalsteuer für Unternehmen in Höhe von 15 Prozent vorgeschlagen, um „gleiche Ausgangsbedingungen für alle“ zu schaffen, wie Reuters berichtet. Dabei verschweigt Biden jedoch, dass die USA zwar im Ausland gegen Steueroasen vorgehen, diese jedoch im eigenen Land dulden. Kürzlich wurde durch die „Pandora Papers“ aufgedeckt, dass US-Bundesstaaten wie South Dakota, Alaska, Wyoming und Nevada um die Vermögen von Superreichen aus aller Welt werben. In den USA befinden sich mehr als 20 Prozent aller weltweiten Offshore-Konten – ein Wert, der nur noch durch die City of London Konkurrenz erfährt.
Platz 1: Cayman Islands
Das britische Überseegebiet vereint zwar nur rund 5 Prozent aller weltweiten Offshore-Konten, verdankt seine hohe Platzierung aber vor allem seiner extremen Geheimhaltung, wenn es um Finanzdienstleistungen geht. Die Cayman Islands gehören zwar formal zu Großbritannien, genießen aber weitreichende wirtschaftliche Autonomie. Offizielles Staatsoberhaupt ist bis heute die englische Königin und der lokale Gouverneur wird bis heute von London ernannt. Während die Cayman Islands früher vor allem als Umschlagplatz für Drogengelder bekannt wurden, haben dort heutzutage fast alle großen Konzerne, Banken und Hedgefonds einen Sitz. Das macht sich für die Bilanz insofern sehr gut, da die Körperschaftssteuer auf den Inseln bei 0 Prozent liegt, sämtliche Gewinne also steuerfrei sind.
Deutschland landet nur knapp außerhalb der Top 10
Darüber hinaus lohnt sich ein Blick auf die Länder, die den Sprung in die Top 10 nur knapp verpasst haben. Darunter finden sich Staaten, die bereits seit Jahrzehnten einen Ruf als Steueroase haben, wie die Kanalinseln Guernsey (Platz 11) und Jersey (Platz 16). Die Kanalinseln sind mit Großbritannien verbunden, das sich ebenfalls auf der Liste der 20 größten Steueroasen befindet (Platz 12). Mit der Mittelmeerinsel Malta landet ein weiteres europäisches Land auf der Liste (Platz 18). Mit Taiwan (Platz 13) und Thailand (Platz 17) landen nur zwei asiatische Staaten unter den 20 größten Steueroasen. Zudem kommen mit Kanada (Platz 19) und Katar (Platz 20) noch zwei Vertreter aus Nordamerika und dem Nahen Osten hinzu.
In den erweiterten Top 20 fällt dabei ein interessanter Trend auf. Viele Steueroasen haben eine Verbindung mit Großbritannien. Neben dem Vereinigten Königreich sind auch die britischen Überseegebiete der Jungfern-Inseln und Cayman Islands, die Kanalinseln Jersey und Guernsey, die ehemaligen britischen Kronkolonien Malta, Singapur und Hongkong in der Liste vorne mit dabei. Blickt man nur auf Steuervermeidung durch Unternehmen, wird der Trend noch deutlicher. Hier liegen die britischen Überseegebiete der Jungfern-Inseln, Cayman Islands und Bermuda auf den ersten Plätzen.
Daneben befindet sich auch der kleine zentralamerikanische Staat Panama, der zuletzt durch die Panama Papers ins Licht der Weltöffentlichkeit gerückt wurde, selbstverständlich in den Top 20 (Platz 15). Überraschend dagegen ist, dass auch Deutschland unter den 20 größten Steueroasen noch vor Panama liegt (Platz 14). Denn in Deutschland bestimmen die Kommunen selbst über die Höhe der Gewerbesteuer und einige von ihnen – etwa Zossen in Brandenburg, Lützen bei Leipzig und Monheim nahe Düsseldorf – haben einen niedrigen Gewerbesteuerhebesatz und gelten deshalb als inländische Steueroasen.
„Es gibt unter einigen Kommunen einen regelrechten Wettbewerb um die Gewerbesteuer. Je geringer der Hebesatz, desto größer der Vorteil für die Firmen“, sagt Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG), im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Auffallend sei, so Eigenthaler weiter, dass es sich bei den betreffenden Kommunen um Ortschaften im sogenannten Speckgürtel großer Zentren handele. Die kleinen Kommunen versuchen im Wettstreit mit den Großstädten Unternehmen abzuwerben.