Der Baufinanzierungsvermittler Interhyp erwartet bis Jahresende einen weiteren Anstieg der Immobilienzinsen auf 3,5 bis 4 Prozent. Derzeit liegt der Durchschnittszins für zehnjährige Darlehen bei 3,1 Prozent, mehr als dreimal so hoch wie zu Jahresbeginn. Das berichtete Vorständin Mirjam Mohr am Mittwoch in München. Da gleichzeitig die Bau- und Immobilienpreise weiter gestiegen sind, können sich laut Interhyp viele Interessenten ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung nicht mehr leisten. „Dieses böse Erwachen, das spüren ganz viele Menschen in Deutschland.“
Im vergangenen Jahr habe es auf dem Wohnimmobilienmarkt „Torschlusspanik“ gegeben, sagte die Managerin bei der Vorstellung der neuen „Wohntraumstudie“ des Unternehmens. Dieses Jahr hätten viele Interessenten ein ganz anderes Gefühl: „Ich habe den Zug verpasst.“ Die Nachfrage nach Immobilienfinanzierungen sei weiter hoch – aber zumindest einige Interessenten erhalten demnach wegen beschränkter finanzieller Mittel und zu hoher Kosten keine Finanzierungszusagen mehr. Für die Studie hatte Interhyp im Februar und März 2180 Menschen befragen lassen.
Nach einem Rechenbeispiel des Portals Check24 bedeutet ein effektiver Zins von drei Prozent, dass ein Darlehen von 400.000 Euro bis zum Ende der zehnjährigen Sollzinsbindung über 78.000 Euro mehr kostet als noch im Januar. Bei einem Zinssatz von vier Prozent wären es sogar über 114.000 Euro mehr, wie das Unternehmen mitteilte.
„Stadt, Land, Frust“
Eine Folge der sehr hohen Preise in den Städten ist laut Interhyp Stadtflucht – mit dem Effekt, dass die Preise im jeweiligen Umland Berlins, Frankfurts und Hamburgs im ersten Quartal noch sehr viel stärker gestiegen sind als in der eigentlichen Stadt. Als ein Beispiel nannte Mohr Berlin. Im Berliner Umland sind demnach im ersten Quartal die Preise um über 12 Prozent in die Höhe geschossen, in der Stadt dagegen um lediglich vier Prozent.
Viele Städter kaufen demnach aber eher gezwungenermaßen Haus oder Wohnung in ländlichem Umfeld und seien zunächst auch nicht sehr zufrieden. „Stadt, Land, Frust“, sagte Mohr dazu. Ursache seien Einschränkungen bei den drei Ks: soziale Kontakte, Kultur und Konsum. Laut Umfrage haderten immerhin 42 Prozent der Landimmobilien-Käufer mit ihrer Entscheidung.
Einen generellen, deutschlandweiten Preisrückgang bei Wohneigentum erwartet die Interhyp nicht. „Wir gehen davon aus, dass die Preise langsamer steigen werden“, sagte Mohr. In einigen Regionen könne es durchaus Preisrückgänge geben, aber nicht flächendeckend.
Hohe Nachfrage triff auf knappes Angebot
Häuser und Wohnungen in Deutschland haben sich das vierte Quartal in Folge tatsächlich um mehr als zehn Prozent verteuert. Allerdings scheint sich der Preisanstieg etwas zu verlangsamen. Im Zeitraum Januar bis März 2022 stiegen die Preise für Wohnimmobilien im Schnitt um 12,0 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, wie das Statistische Bundesamt am Freitag anhand vorläufiger Zahlen mitteilte. Damit lag die Steigerungsrate binnen eines Jahres zum vierten Mal in Folge über zehn Prozent.
Gegenüber dem Vorquartal verteuerten sich Wohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäuser im Schnitt um 0,8 Prozent. „Damit deutet sich eine leichte Abschwächung der Dynamik an“, erklärte die Wiesbadener Behörde. Im dritten Vierteljahr 2021 waren die Preise für Wohnimmobilien noch um 4,1 Prozent und im vierten Quartal 2021 um 3,1 Prozent gegenüber dem jeweiligen Vorquartal gestiegen.
Die Nachfrage ist groß, das Angebot knapp. Der Trend zum Homeoffice in der Corona-Krise hat zudem das Interesse an Wohnraum auf dem Land angekurbelt. Angesichts steigender Bauzinsen, teurer Baustoffe und Lieferengpässe erwarten einige Experten nach mehr als zehn Jahren allerdings eine Abschwächung des Immobilienbooms in Deutschland.