Weniger Gas, höhere Preise: Bereits seit dem Herbst sind die Gaspreise auch für Haushaltskunden deutlich gestiegen. Aufschläge von 30, 50, 80 Prozent oder noch mehr sind keine Seltenheit. Doch das ist erst der Anfang: Die ausbleibenden Gaslieferungen über Nord Stream 1 haben im Großhandel den Gaspreis seit Ende Juni noch einmal um über 50 Prozent in die Höhe schießen lassen.
Je nachdem, wie viel Gas die Versorgungsunternehmen im Zuge der Drosselung an der Börse hinzukaufen müssen, werden die Verbraucherpreise weiter steigen - allerdings mit Verzögerung. Netzagentur-Chef Müller riet Bürgern mit Gasheizungen bereits, Geld zurückzulegen. Seine Behörde teilte mit: „Unternehmen und private Verbraucher müssen sich auf deutlich steigende Gaspreise einstellen.“ In Deutschland wird knapp jede zweite Wohnung mit Gas beheizt - insgesamt rund 20 Millionen.
Wie teuer wird die Gaskrise für Verbraucher?
Doch es könnte noch schlimmer kommen: Damit die Gashändler nicht pleite gehen, weil sie die Mehrkosten erst deutlich später ihren Kunden in Rechnung stellen können, kennt das Energiesicherungsgesetz ein „Preisanpassungsrecht“. Wird es von der Bundesregierung aktiviert, können die Unternehmen quasi sofort sämtliche Verträge kündigen und ihre Mehrkosten in neue Verträge einfließen lassen. Bereits eine Woche später würden die neuen, nochmal höheren Preise wirksam. Ein Dominoeffekt im Energiemarkt mit Versorger-Insolvenzen und Lieferausfällen soll so vermieden werden. Doch der Mechanismus habe auch Schattenseiten und würde zu sozialen Problemen führen, hatte Habeck gesagt. Daher arbeite man an Alternativen.
Um wie viel die Gaspreise bis Jahresende noch steigen werden, ist unklar. Laut der Verbraucherzentrale müsse ein Haushalt mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden Erdgas schon jetzt mit jährlichen Zusatzkosten in Höhe von 1000 bis 2000 Euro rechnen. Das dürfte dem Verbrauch einer vierköpfigen Familie entsprechen. „Wenn jetzt die Alarmstufe und die Feststellung der Reduzierung kämen, dann könnten noch weit höhere Zusatzkosten entstehen“, sagte Energie-Experte Thomas Engelke von der Verbraucherzentrale bereits Mitte Juni, bevor die Bundesregierung die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausrief.
Die Bundesnetzagentur selbst warnt inzwischen, dass sich die Erdgaspreise für den Endverbraucher verdoppeln oder verdreifachen könnten. Der Finanzanalyst Folker Hellmeyer warnt vor massiven sozialen Folgen aufgrund der Preisanstiege, die auf die Sanktionen des Westens zurückzuführen seien. „Diese erhöhten Kosten für private Haushalte (auch noch erhöhte Lebensmittelkosten) bergen das Potential in sich, gesellschaftspolitische Unruhen und in Folge politische Radikalisierungen zu forcieren“, schreibt er in seinem Börsenbrief „Hellmeyer Report“. Für den Standort Deutschland seien die Preise letal. „Wir reden nicht nur von dem Risiko erhöhter Preise, sondern auch von erheblichen zukünftigen Arbeitsmarktrisiken, denn in der nicht-westlichen Welt gibt es Versorgungssicherheit und niedrigere Preise.“
Wie können Verbraucher reagieren?
Die Verbraucherzentrale empfiehlt auf ihrer Website einen wassersparenden Duschkopf. Dieser kostet im Handel etwa 20 Euro und bedeutet keinen Komfort-Verlust. Wer außerdem kürzer duscht und die Wassertemperatur herunterdreht, kann im Jahr niedrige dreistellige Beträge einsparen. Laut dem Duschrechner der Verbraucherzentrale reicht es schon, die Wassertemperatur von 38 auf 36 Grad zu senken, den Wasserstrom von 10 auf 8 Liter pro Minute (mit einem Sparduschkopf) und die Duschdauer von 8 auf 6 Minuten. Bei einem mit Erdgas betriebenen Niedrigtemperaturkessel würden die Jahreskosten um 145 Euro auf 195 Euro sinken, bei dem effizienteren Brennwertkessel um 114 Euro auf 155 Euro.
Außerdem können Verbraucher ein Thermostatventil an der Heizung anbringen. Dieses lässt bloß so lange heißes Wasser durch den Heizkörper fließen, bis die Wunschtemperatur erreicht ist. „Temperaturen zwischen 18 Grad Celsius im Schlafzimmer und 21 Grad Celsius im Wohnzimmer reichen meistens aus“, erklärt die Verbraucherzentrale. In ungeheizten Räumen dürfe die Temperatur nicht unter 16 Grad Celsius fallen, sonst drohe Feuchtigkeit und Schimmel an den Wänden, wenn nicht ausreichend gelüftet werde.
Hohe Sparpotenziale lägen zudem in der Zeitsteuerung der Heizanlage. Meist lasse sich die Temperatur über bestimmte Zeiträume senken, etwa bei der sogenannten Nachtabsenkung. Bei längerer Abwesenheit mache auch die Tagabsenkung Sinn. Moderne Systeme verfügten sogar über Wochenprogramme, mit denen sich die Heizleistung werktags senken lasse. Gar nicht zu heizen sei aber nicht ratsam: „Die Innenoberflächen der Außenwände kühlen zu stark ab und das Schimmelrisiko steigt rapide“, erklären die Verbraucherschützer.
Zirkulationspumpe durchtakten
Außerdem könne Luft in einem Heizkörper dafür sorgen, dass der Heizkörper nicht richtig warm werde und die Heizanlage mehr Energie verbrauche. Abhilfe leiste ein Entlüfterschlüssel, mit dem sich leicht Luft aus dem Heizkörper ablassen ließe, erklärt die Verbraucherzentrale. „Sowohl vor als auch nach der Entlüftung ist der Druck im Heizungssystem zu prüfen, unter Umständen muss auch Wasser nachgefüllt werden.“ Dafür solle man in einem Mehrfamilienhaus am besten Rücksprache mit dem Vermieter oder der Hausverwaltung halten, denn der Heizungsdruck könne der Mieter nicht selbst kontrollieren oder nachsteuern.
Außerdem sollten Verbraucher im Winter Türen und Fenster geschlossen halten und die Heizkörper freiräumen, etwa von Vorhängen oder Möbeln. In vielen Gebäuden sei eine Zirkulationspumpe eingebaut. Diese leite Warmwasser besonders schnell an die Ausgabestellen in Küche und Bad. Das Problem: Oft laufe die Pumpe rund um die Uhr. „Prüfen Sie, ob das wirklich erforderlich ist. Die meiste Zeit des Jahres brauchen Sie in den Nachtstunden keine Heizung und kein warmes Wasser“, erklärt die Verbraucherzentrale und fügt hinzu: „Für diese Zeiten können Sie die Pumpe durch die Heizungsregelung abschalten oder in Intervallen takten lassen.“ Letzteres lasse sich etwa durch eine Zeitschaltuhr bewerkstelligen. (dpa/eli)