Der Optimismus der Anleger scheint unerschütterlich. Während in Deutschland die Infektionszahlen steigen und das Impfchaos die Schlagzeilen bestimmt, erklimmt der Dax einen Rekord nach dem anderen. Am Gründonnerstag kletterte der deutsche Leitindex erstmals über 15.050 Punkte. Seit dem Corona-Tiefpunkt Mitte März 2020 hat das Börsenbarometer inzwischen mehr als 80 Prozent gewonnen – und das Plus von gut 9 Prozent im ersten Quartal diesen Jahres kann sich ebenfalls sehen lassen. Den Löwenanteil davon erzielte der Dax im März.
Auch weltweit streben viele Börsen nach oben: „Die Hoffnungen auf eine sehr kräftige Erholung der Wirtschaft der Vereinigten Staaten stützen die globalen Aktienmärkte inzwischen sehr nachhaltig“, schrieb Analyst Tobias Basse von der Landesbank NordLB. In den USA kämpft Joe Biden mit aller Macht gegen die Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen – und verzeichnet erste Erfolge. So verdoppelte der neue Präsident jüngst sein Ziel für die laufende Impfkampagne, zudem sendet er mit billionenschweren Ausgabeprogrammen erhebliche Konjunkturimpulse.
Daneben hat das für die deutsche Wirtschaft wichtige Lieferland China die Pandemie weitgehend hinter sich gelassen und mit 14 asiatisch-pazifischen Staaten das größte Freihandelsabkommen der Welt abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund erhöhte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bereits ihre Prognose für die Entwicklung der Weltwirtschaft. Doch die Aussicht auf eine starke Konjunkturerholung hat auch eine Kehrseite: die Furcht vor schnell steigenden Preisen. Deshalb geistert zum ersten Mal seit gut drei Jahren wieder die Sorge vor einer stark steigenden Inflation durch die globalen Märkte.
Aktienanleger fürchten eine hohe Inflation in der Regel, weil sie Notenbanken zum Gegensteuern zwingen kann. Dadurch würden die Kapitalmarktzinsen steigen und Aktien im Vergleich zu festverzinslichen Wertpapieren unattraktiver machen.
Aktuell sind die Zinsen in den wichtigsten Industrieländern noch infolge der Finanzmarktkrise 2008 sehr niedrig und teilweise sogar im negativen Bereich. Doch Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank, mahnte trotzdem zur Vorsicht: „Belastungen für die Aktienmärkte kommen über steigende Zinsen. Mit der Normalisierung des Wirtschaftsgeschehens geht auch eine Normalisierung von Kapitalmarktrenditen auf das Niveau vor Corona einher.“ So sind die Inflationserwartungen an den Finanzmärkten und damit die Renditen an den Anleihemärkten zuletzt bereits teils deutlich gestiegen.
Allerdings hält sich die Entwicklung bislang in Grenzen. In der Eurozone und in den USA sind die Preise zwar zuletzt recht markant gestiegen, aber die Inflationsziele der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Notenbank Fed werden bislang weiterhin verfehlt. Ein Ende der lockeren Geldpolitik zeichnet sich daher noch nicht ab. Und: „Aus Angst, die Konjunktur frühzeitig abzuwürgen, plant der Chef der US-Notenbank kein Ende der Liquiditätsschwemme“, meint Marktstratege Robert Halver von der Baader Bank. In der Eurozone falle das Wachstum derzeit noch verhalten aus, zudem seien der EZB wegen der Überschuldung Europas die Hände gebunden.
Das positive Szenario für den Dax steht und fällt aber mit der Entwicklung der Pandemie. Der Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel, Carsten Mumm, warnt: Sollte es – etwa wegen sich schnell verbreitender Virusmutationen – zu deutlich verlängerten Lockdowns kommen, die auch die wieder sehr dynamisch wachsenden Volkswirtschaften wie die USA oder vor allem China stärker treffen, wären die Wachstumsprognosen und damit auch die erwarteten Unternehmensgewinne für 2021 nicht mehr haltbar. Dann wäre die Frage, wie lange der Optimismus der Anleger noch hält.
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