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Reichtumsforschung: Wie man reich wird

Lesezeit: 7 min
08.08.2022 09:40
Reiche sind rücksichtslos und bloß durch ein Erbe an Vermögen gelangt, glauben viele Deutsche. Doch was sagt die Wissenschaft dazu – wie kommt man tatsächlich zu Vermögen? 
Reichtumsforschung: Wie man reich wird
Reiche können beruhigt schlafen und müssen sich keine Existenzsorgen machen. (Foto: iStock.com/tiero)
Foto: tiero

Reiche genießen in Deutschland wenig Ansehen im Vergleich zu anderen Ländern. Laut einer Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2019 werden sie vor allem mit negativen Eigenschaften beschrieben. Am häufigsten nannten die Deutschen egoistisch (62 Prozent), materialistisch (56 Prozent), rücksichtslos (50 Prozent), gierig (49 Prozent) und überheblich (43 Prozent). Erst dann folgten positive Charakterisierungen wie fleißig (42 Prozent), wagemutig (41 Prozent), intelligent (40 Prozent) und visionär (39 Prozent).

Dass dieses Bild verzerrt ist, legte bereits die Umfrage selbst nahe. Denn die 17 Prozent der Deutschen, die einen Millionär persönlich kannten, urteilten über diesen deutlich positiver. Die fünf meistgenannten Beschreibungen waren fleißig (71 Prozent), intelligent (71 Prozent), einfallsreich (58 Prozent), optimistisch (47 Prozent) und visionär (45 Prozent).

Als häufigster Grund, warum jemand reich wird, nannten die Deutschen die guten Beziehungen der Eltern (55 Prozent). Ebenfalls weit vorne lag die Erbschaft mit 41 Prozent. Gleichwohl ist das Erbe laut dem Publizisten Rainer Zitelmann nicht die wichtigste Reichstumsquelle. 67 Prozent der 400 reichsten Amerikaner seien nämlich selfmade-Milliardäre, erklärt der promovierte Historiker und Soziologe, der das Buch „Reich werden und bleiben“ geschrieben hat.

Gute Geschäftsideen entscheidend

Superreiche wie Jeff Bezos oder Bill Gates seien vor allem reich geworden, weil sie besonders gute Geschäftsideen und die richtige Unternehmerpersönlichkeit hätten. Zwar sei in Deutschland die Bedeutung von Erbschaften größer, weil Familienunternehmen verbreiteter seien, gibt Zitelmann zu.

Dennoch sind auch hierzulande 41 Prozent aller Multimillionäre aus eigener Kraft reich geworden, wie aus dem World Ultra Wealth Report 2014 hervorgeht. Bloß 28 Prozent waren Erben. Der Rest hatte geerbt und zugleich aus eigener Kraft Vermögen aufgebaut. „Die Bedeutung von Erbschaften wird überschätzt, denn den meisten Erben gelingt es nicht, das Vermögen zu erhalten oder gar auszubauen“, erklärt Zitelmann.

Entscheidend ist laut der Reichtumsforschung die berufliche Ausgangslage. Angestellte schaffen es meistens nicht, ein großes Vermögen aufzubauen. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (DIW) waren im Jahr 2021 insgesamt 73 Prozent der Millionäre Selbstständige. Dabei waren Selbstständige umso eher Millionär, je mehr Mitarbeiter sie beschäftigen.

Selbst Freiberufler verdienen mehr

Doch auch Freiberufler haben wesentlich höhere Chancen, zu Reichtum zu gelangen. Laut einer weiteren DIW-Studie aus dem Jahr 2014 erzielen Solo-Selbstständige in der Spitze deutlich höhere Einkommen. Die obersten 1 Prozent erwirtschaften im Monat durchschnittlich 8750 Euro netto, während die obersten 1 Prozent der Angestellten gerade einmal auf 5250 Euro kommen.

Die Selbstständigen mit Beschäftigten also Unternehmer erzielten sogar 20.000 Euro netto pro Monat. Rechnet man das Nettoeinkommen pro Stunde aus, lagen Solo-Selbstständige (100 Euro) wiederum deutlich vor den Unternehmern (87,50 Euro) und den Angestellten (42,19 Euro).

Sogar ein leitender Angestellter, der 250.000 Euro pro Jahr brutto verdient, kommt nach Steuern und Abgaben „bloß“ auf 13.000 Euro netto. Bei einer monatlichen Sparrate von 5000 Euro und einer Jahresrendite von 5 Prozent bräuchte er über 12 Jahre, um die erste Million zusammen zu sparen. Bis er sich genügend Vermögen für eine ewige Rente in Höhe seiner monatlichen Ausgaben von 8000 Euro angespart hätte, würde es knapp 20 Jahre dauern. Allerdings dürfte kaum ein Angestellter mit einem dermaßen hohen Gehalt ins Berufsleben starten - und zudem ist oft ein langjähriges und kostspieliges Studium nötig.

Persönlichkeit des Unternehmers zählt

Die Reichtumsforschung hat außerdem entdeckt, dass die Höhe des Vermögens und die Persönlichkeit des Unternehmers eng zusammenhängen. Etwa berichten DIW-Forscher in einer Studie, dass eine Art Millionärs-Persönlichkeit existiert. Je mehr ein Unternehmer diesem Idealtypus entspreche, desto reicher sei er.

Erfolgreiche Unternehmer sind demnach wenig neurotisch (Tendenz, besorgt oder nervös zu sein) und durchschnittlich verträglich (freundlich und mitfühlend). Außerdem sind sie deutlich offener für neue Erfahrungen, extrovertierter (aktiv und gesellig), gewissenhafter (organisiert und beständig) und risikobereiter als die Durchschnittsbevölkerung. Besonders verbreitet ist das Persönlichkeitsprofil unter self-made-Millionären, während reiche Erben eher dem Durchschnitt entsprechen. Die Forscher befragten insgesamt über 1100 Millionäre aus Deutschland.

Laut dem Reichtumsforscher Wolfgang Lauterbach ist der Umgang mit dem Risiko entscheidend. „Unternehmer brennen meist für etwas. Sie sind oft aggressiver, extrovertierter und setzen sich durch“, sagte der Professor der Universität Potsdam in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Während Gleichaltrige in der Jugend erste Ferienjobs hätten, würden die späteren Reichen bereits mit Dingen handeln oder Ideen verkaufen. Viele seien im Spitzensport gewesen und hätten kurz vor dem Sprung an die nationale Spitze gestanden, etwa als Tennisspieler oder Skifahrer. „Daher haben sie Durchhaltevermögen gelernt. Dieses Leistungsethos gepaart mit einer gewissen Rebellenhaftigkeit zieht sich durch die Untersuchungen“, sagte Lauterbach.

Fleißig und sparsam

Daneben arbeiten Reiche deutlich länger: Laut dem DIW kommen Millionäre im Schnitt auf 46,7 Wochenstunden. Zum Vergleich: Die untere Hälfte der Vermögensverteilung und die obere Mittelschicht arbeiten bloß 36 bis 37 Wochenstunden.

Und die Reichen sparen auch mehr: Etwa berichtet Rainer Zitelmann in seinem Buch von zwei Gruppen, die sich in den USA unter den Beziehern von Jahreseinkommen über 700.000 US-Dollar ausmachen lassen. Die eine Gruppe mit einem Vermögen von über 7,5 Millionen US-Dollar gibt vergleichsweise wenig Geld für Konsum aus, etwa 12.000 US-Dollar pro Jahr für das Auto. Die konsumorientierten Hochverdiener geben hingegen alleine für das Auto 30.000 US-Dollar pro Jahr aus und sparen fast nichts. Das Vermögen ist entsprechend deutlich geringer mit 400.000 US-Dollar.

Reiche seien also entgegen dem medial vermittelten Zerrbild meist genügsam und lebten nicht auf großem Fuß, folgert Zitelmann und zitiert den Publizisten Christian Rickens. Dieser hatte im Jahr 2012 in dem Buch „Wie Deutschlands Millionäre wirklich leben“ festgestellt, dass sich Deutschlands Reiche selten einem luxuriösen Lebensstil hingeben würden wie Reiche aus anderen Weltregionen, und hatte hinzugefügt: „Auch reiche Müßiggänger gibt es in Deutschland kaum. Die deutsche Oberschicht definiert sich quer durch alle Milieus vor allem über ihre Arbeit.“

Wie wird man reich?

Zitelmann ist daher grundsätzlich überzeugt, dass viele Menschen reich werden könnten. Zwar könne nicht jeder so gut Autofahren wie Sebastian Vettel, erklärt er auf ANG-Anfrage. „Aber ich bin sehr sicher, dass viel mehr Menschen reich werden könnten, wenn sie erstens mehr Selbstbewusstsein hätten, zweitens offener wären für Neues und sich drittens vor allem das als Ziel setzen würden.“

Das gelte selbst für Leute, die nicht eins zu eins die von der Forschung entdeckte Millionärs-Persönlichkeit hätten. Sicher sei etwa die erhöhte Risikobereitschaft eine Voraussetzung bei vielen Unternehmern. „Ich selbst bin jedoch eher ein risikoaverser Mensch und trotzdem ein erfolgreicher Unternehmer und Investor geworden. Manchmal hat mir das sogar geholfen“, erklärt Zitelmann, der mit einem PR-Unternehmen aus der Immobilienbranche selbst zu Reichtum gelangt ist.

Wer reich werden möchte, sollte sich Zitelmann zufolge zuerst überlegen, warum er dies wolle. „Ein starkes Motiv ist wichtiger als das Wie“, erklärt er. Zweitens solle man sich das Ziel aufschreiben. Drittens solle man unternehmerische Ideen entwickeln, denn die meisten Menschen würden als Unternehmer reich. „Aktien, Bitcoin und so weiter werden Sie nicht reich machen“, erklärt Zitelmann.

Viertens solle man nebenberuflich als Unternehmer starten, bevor man sich selbstständig mache. „Aber nicht auf Stundenlohnbasis, sondern auf Erfolgsbasis.“ Wer dann erfolgreich sei, könne den Angestellten-Job an den Nagel hängen und Vollzeit-Unternehmer werden.

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Elias Huber arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und schreibt vor allem über Konjunktur, Edelmetalle und ETFs sowie die ökonomische Lehre der Österreichischen Schule. 

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