Die Inflation ist derzeit so hoch wie seit 50 Jahren nicht mehr. Bundesbank-Chef Joachim Nagel hält im Herbst sogar 10 Prozent Inflation für möglich. Daher geraten inflationsindexierte Staatsanleihen – auch Linker genannt – zunehmend in den Fokus der Anleger.
Bei Linkern liegen die Nominalzinsen und die Renditen geringer als bei konventionellen Staatsanleihen. Dafür erhalten die Anleger einen Inflationsausgleich entsprechend der offiziell ausgewiesenen Inflationsrate. Diesen Ausgleich bekommen sie entweder direkt mit der jährlichen Zinszahlung oder am Laufzeitende als Aufschlag auf den Nominalwert – abhängig von der Ausgestaltung der jeweiligen Anleihe.
Etwa rentiert eine Bundesanleihe mit einer Restlaufzeit von 3 Jahren und 7 Monaten aktuell bei 0,94 Prozent pro Jahr. Eine inflationsindexierte Staatsanleihe mit der gleichen Restlaufzeit liegt bei -2,14 Prozent. Der Unterschied zwischen den Renditen ist eine Bezahlung für das Inflationsrisiko, das nicht mehr der Anleger, sondern der Herausgeber der Anleihe trägt.
Schutz vor unerwarteter Inflation
Außerdem lässt sich aus den Renditen ablesen, mit welchen Inflationsraten die Marktteilnehmer in den kommenden Jahren rechnen. Etwa liegt die Inflationserwartung für die kommenden 3,5 Jahre bei rund 3 Prozent pro Jahr (Rechnung: -2,14 Prozent p.a. minus 0,94 Prozent p.a.). Dieser Renditeunterschied nennt sich auch Break-Even-Inflationsrate.
Der Kauf eines Linkers lohnt sich also bloß gegenüber einer konventionellen Staatsanleihe mit gleicher Restlaufzeit, wenn die tatsächliche Inflationsrate mehr als 3 Prozent beträgt. Liegt die Inflation geringer, fahren Anleger mit einem Linker schlechter. Linker schützen somit bloß vor Inflation, die höher liegt als von den Marktteilnehmern erwartet. Denn die erwartete Inflation ist bereits eingepreist.
Der BWL-Professor Hartmut Walz rät daher bloß eingeschränkt zu den Wertpapieren. „Nur wenn Sie sehr risikoscheu sind oder davon überzeugt, dass die Preissteigerung stark und langanhaltend ist, sind Linker eindeutig eine gute Wahl“, schreibt er auf seiner Website. Allerdings sei es unmöglich, die Inflationsentwicklung vorauszusagen. Außerdem sei der Markt für Linker vergleichsweise klein, sodass die Handelsspannen zwischen Kauf- und Verkaufspreisen relativ hoch seien.
Inflationsmessung ist fehlerhaft
Ein weiteres Problem: Linker entschädigen bloß für Anstiege der offiziellen Verbraucherpreisindizes. Etwa sind inflationsindexierte Bundesanleihen an den unrevidierten harmonisierten Verbraucherpreisindex ohne Tabak gekoppelt. Kritische Ökonomen betonen aber seit Jahren, dass die wahre Inflation deutlich darüber liegt. Der Leipziger Professor Gunther Schnabl sagte im vergangenen November gegenüber ANG, die wahre Inflation könne je nach Berechnungsweise bis zu doppelt so hoch liegen als damals vom Statistischen Bundesamt ausgewiesen.
Außerdem könnten Linker bei extremer Inflation versagen, warnt Hartmut Walz. Bei sehr hoher Inflation würden die Finanzierungskosten des Staates deutlich steigen. Der Währungsraum und der Staat würden wahrscheinlich in starke wirtschaftliche Turbulenzen geraten. In so einem Extremszenario sei nicht auszuschließen, dass selbst Staatsanleihen mit Triple-A-Rating ausfallgefährdet seien. „Wer für solche Fälle vorsorgen möchte, wäre mit leicht liquidierbaren Sachwerten – zum Beispiel Goldmünzen – besser bedient.“
Zudem haben inflationsindexierte Bundesanleihen relativ lange Laufzeiten zwischen 5 und 30 Jahren. Erhöht die EZB die Zinsen, sinken wie bei konventionellen Anleihen auch die Kurse der Linker. Dabei fällt der Kurs umso kräftiger, je länger die Restlaufzeit und je höher der Zinsanstieg. Etwa sinkt der Kurs einer Staatsanleihe mit 10 Jahren Restlaufzeit und 2 Prozent Nominalzins um 10 Prozent, wenn der Marktzins von 2 auf 3 Prozent steigt. Die realen Renditen waren denn auch in diesem Jahr bei allen Linkern der Bundesrepublik durchweg negativ, wie die Zahlen der Finanzagentur zeigen – und das trotz der hohen Inflation.
Auf dem Sekundärmarkt kaufen
Hartmut Walz warnt daher im Gespräch mit ANG vor inflationsindexierten Staatsanleihen mit langen Laufzeiten. „Entscheidungsträger sollten auf den Sekundärmarkt und nicht auf den Primärmarkt (Neuemissionen von Linkern) schauen“, erklärt der Professor der Hochschule Ludwigshafen am Rhein. Dort ließen sich inflationsindexierte Staatsanleihen mit relativ kurzen Restlaufzeiten erwerben. Etwa gebe es unter den fünf Linkern der Bundesrepublik ein Papier, das noch bis Mitte April 2023 laufe und ein weiteres mit Fälligkeit im April 2026. Außerdem würde er auf beste Bonitäten achten.
Von ETFs mit inflationsindexierten Staatsanleihen rät der Professor ab, denn die enthaltenen Linker hätten relativ lange Restlaufzeiten. Besonders kritisch betrachtet Walz global diversifizierte Linker-ETFs. „Faktisch ist es ein unbefriedigender Kompromiss, bei dem weder das Inflationsrisiko der Heimatwährung gut gegengesichert wird, noch eine Währungsdiversifikation gemäß den individuellen Bedürfnissen eines Anlegers erfolgen kann.“
Ein weiterer Nachteil: Die Euro-Linker-ETFs, die in Deutschland zugelassen sind, enthalten zu 85 Prozent Anleihen aus Italien, Spanien und Frankreich. Der Anteil der deutschen Linker beträgt gerade einmal 15 Prozent, und Papiere aus den stabileren Nordländern sind nicht enthalten.