Anleger kaufen die Weißmetalle Platin, Silber und Palladium zunehmend über sogenannte Zollfreilager. Dabei handelt es sich um einen Lagerort, an dem Waren nicht versteuert und verzollt werden müssen – oftmals in der Nähe von Häfen und Flughäfen. „Während früher unser Solit-Wertelager Schweiz hauptsächlich von Anlegern mit sechs- oder siebenstelligen Anlagebeträgen genutzt wurde, wählen nun auch immer mehr Edelmetallkäufer mit ‘nur’ fünfstelligen Anlagebeträgen bewusst eine Aufbewahrungslösung außerhalb der Europäischen Union“, erklärt etwa der Edelmetallhändler Tim Schieferstein gegenüber Altersvorsorge Neu Gedacht.
Laut Schieferstein geht es den Anlegern nicht bloß darum, die Mehrwertsteuer von 19 Prozent oder die Differenzsteuer von circa 7 Prozent auf die Weißmetalle zu sparen. Die meisten kauften Edelmetalle als Absicherung gegen schwerste wirtschaftliche Verwerfungen, bei denen womöglich Banken temporär geschlossen blieben, erklärt Schieferstein. „Da ist die Schweiz aufgrund ihrer geografischen Nähe erste Wahl.“
Anbieter wie Solit, Degussa oder Pro Aurum bieten die Lagerung in Kanada, Liechtenstein oder Deutschland an. Versicherungsschutz, professionelle Überwachung und regelmäßige Kontrollen durch unabhängige Wirtschaftsprüfer sind bei seriösen Anbietern enthalten.
Kauf und Verkauf läuft über Anbieter
Üblicherweise erfolgt der Kauf der Barren oder Münzen über einen Edelmetallhändler oder einen spezialisierten Dienstleister. Der Anleger schließt dabei einen Verwahrvertrag ab. Wichtig: Die Edelmetalle sollten als Sondervermögen gelten, um bei einer Insolvenz des Anbieters nicht in die Konkursmasse zu fließen.
Ein Verkauf erfolgt wiederum über den Anbieter im Zollfreilager, um die Steuern erneut zu vermeiden. Anleger können sich die Edelmetalle aber in der Regel auch ausliefern lassen. Dabei fallen aber die Mehrwertsteuern an, wobei die Steuer auf den Edelmetallwert zum Verkaufszeitpunkt berechnet werde, wie Schieferstein erklärt.
Etwa würde bei einer Auslieferung von der Schweiz nach Deutschland zuerst die Schweizer Einfuhrumsatzsteuer von 7,7 Prozent fällig, bevor in Deutschland die Mehrwertsteuer von 19 Prozent anfalle, führt Schieferstein aus. Die Schweizer Steuer könnten sich Anleger aber erstatten lassen. „In der Praxis machen es Kunden so, dass sie sich eher für eine Auszahlung entscheiden und gegebenenfalls differenzbesteuerte Silbermünzen in Deutschland kaufen, da dies attraktiver ist als 19 Prozent Mehrwertsteuer für Silberbarren zu bezahlen.“
Kosten von über 1 Prozent pro Jahr
Ein weiterer Vorteil: Weil es sich bloß um einen Verwahrvertrag handelt, schlagen auf Kursgewinne keine Kapitalertragssteuern zu Buche, wie Schieferstein bestätigt. Bei einem Goldfonds fallen auf Kursgewinne Abgeltungssteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von 26,325 Prozent an. Kursgewinne bei Gold-ETCs und bei physischen Edelmetallen sind ebenfalls steuerfrei.
Indes gibt es auch einen Nachteil: Die relativ hohen Kosten. Etwa können Einrichtungs- und Transaktionsgebühren anfallen. Außerdem erheben die Anbieter eine laufende Gebühr, die üblicherweise für Silber höher liegt als für Gold, Platin und Palladium – aufgrund der geringeren Wertdichte.
Laut Sebastian Hell summieren sich die laufenden Kosten auf 1 bis 1,8 Prozent pro Jahr, wie der Finanzexperte in einem Youtube-Video erklärt. Hell rät deswegen dazu, mehrere Angebote genau zu vergleichen und mit den eigenen Renditeerwartungen und dem Anlagehorizont durchzurechnen.
Lagerung ist für Kleinanleger teuer
Für Kleinanleger dürfte sich das Zollfreilager indes kaum finanziell lohnen. Ein Rechenbeispiel: Wer zu aktuellen Marktpreisen 1-Kilogramm-Silberbarren für 10.000 Euro kauft und in einem Zollfreilager einlagern lässt, der stünde nach 20 Jahren nicht besser da als ein normaler Silberanleger, der die Barren regulär kauft und eine Differenzsteuer von circa 7 Prozent bezahlt.
Zwar kann der Zollfreilager-Käufer einen Barren mehr erwerben, aber die Differenzsteuer wird vom Händler beim Verkauf wieder ausbezahlt. Dadurch steht der Zollfreilager-Anleger am Ende nach Abzug der Lagerkosten schlechter da. Annahme ist dabei, dass die durchschnittliche Jahresrendite wie in den vergangenen 20 Jahren bei 7,4 Prozent liegt, was langfristig gesehen relativ hoch ist.
Bei einem Anlagebetrag von 100.000 Euro dreht sich das Bild zugunsten des Zollfreilagers. Hier liegt der Vorteil nach Abzug der Lagerkosten bei circa 30.000 Euro (Annahme: Lagerkosten von 1,2 Prozent pro Jahr). Mit zunehmendem Anlagehorizont schrumpft der Vorteil jedoch. Denn alleine die Lagerkosten summieren sich auf über 40.000 Euro über die gesamten 20 Jahre hinweg.
Keinen unmittelbaren Zugriff
Bei Platin und Palladium lohnt sich ein Zollfreilager eher, weil die Lagerkosten geringer sind und meist die volle Mehrwertsteuer von 19 Prozent beim regulären Kauf anfällt. Gleichwohl bieten die beiden Weißmetalle nicht den Krisenschutz, den Silber und vor allem Gold bieten. In Wirtschaftskrisen brechen die Preise regelmäßig ein, weil über 90 Prozent der Nachfrage aus der Industrie kommt. Daher sollten Privatanleger höchstens einen winzigen Teil des Vermögens in die beiden Weißmetalle diversifizieren, weshalb sich das Zollfreilager zumeist nicht lohnen dürfte.
Ein weiterer Nachteil: Anleger haben nicht jederzeit Zugriff. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Grenzen von heute auf morgen geschlossen werden können. Gerade in Extremszenarien wie einem Krieg oder einem Blackout wäre fraglich, ob Anleger noch an die Edelmetalle herankommen oder ob ein Zollfreilager überhaupt noch bewacht wird. Zudem dürften Anleger mit einem Konto oder einem Depot im Nicht-EU-Ausland besser fahren, um sich geografisch zu diversifizieren. Auch mit diesen bliebe man im Falle eines Euro-Crashs liquide, weil diese vermutlich nicht eingefroren würden. Außerdem sind die Kosten geringer.
Am günstigsten dürfte gleichwohl langfristig gesehen die Lagerung von Gold zuhause sein. Anleger sollten darum den Löwenanteil des Edelmetall-Portfolios in Gold halten. Silber verbraucht mehr Platz und hat ungünstigere Portfolio-Eigenschaften – etwa eine höhere Korrelation mit dem Aktienmarkt und eine höhere Preisvolatilität.