Das Wachstum ist derzeit sehr gering und die Inflationsrate liegt bei 10 Prozent in Deutschland und der Eurozone. Kritische Ökonomen warnen vor einer langen Inflation oder sogar Stagflation in der Eurozone. Manche Beobachter sehen gar eine Zeitenwende: Der Siegeszug der ETFs sei vorbei, sagen sie. Aktives Fondsmanagement und Stock-Picking würden eine Renaissance erleben.
Der BWL-Professor Hartmut Walz sieht indes keine Zeitenwende. Es sei zwar „durchaus möglich“, dass ein klassisches Aktien-Anleihe-Portfolio wegen hoher Inflation in den kommenden Jahren schlechter abschneide als bislang, erklärt er auf ANG-Anfrage. Aber dann würde die allgemeine Marktrendite, die passive ETF-Anleger einstreichen, auch für die Summe der aktiven Anleger fallen.
„Aktive Anleger, die Stock-Picking oder Market-Timing betreiben, können sich an passiven Anlegern nicht bereichern“, erläutert Walz. Sie könnten bloß Überrenditen erzielen, wenn andere aktive Anleger Unterrenditen einfahren würden. Im Schnitt erzielten aber alle aktiven Anleger die Marktrendite, die auch ETF-Anleger erhalten.
Studien bestätigen Underperformance
„Da die Kosten der aktiven Fonds und Verwaltung jedoch so grob 2 Prozent pro Jahr höher sind als die der günstigen ETFs, bleiben den Aktiven nach Kosten circa 2 Prozent pro Jahr weniger“, führt Walz weiter aus. Für den Beweis dieses eigentlich simplen Zusammenhangs habe der Finanzwissenschaftler William Sharpe den Nobelpreis erhalten.
Auch Studien zeigen, dass aktiv gemanagte Fonds schlechter abschneiden als Vergleichsindizes. Laut der SPIVA-Analyse der Ratingagentur S&P schaffen es bloß 10 bis 20 Prozent der Fondsmanager, einen Index über einen Zehnjahres-Zeitraum zu schlagen.
Auch „performance chasing“ – also das Kaufen von aktiven Fonds, die sich in der Vergangenheit besser als ein Index entwickelt haben – ist demnach renditeschädlich. Die SPIVA-Studie stellte für Drei-Jahreszeiträume fest, welche aktiven Fonds einen Index geschlagen hatten, und schaute für die drei Folgejahre, ob die Fonds weiterhin die Benchmark überflügelten.
Aktive Fonds in Rezessionen
Das Ergebnis: Bloß eine einstellige Prozentzahl der ursprünglichen Outperformer war im Anschluss erneut besser. „Marktteilnehmern ist möglicherweise nicht am besten gedient, wenn sie heiße Hände jagen oder Fondsmanager ausschließlich auf der Grundlage vergangener Leistungen auswählen“, folgern die SPIVA-Forscher.
Auch in Crashs und Rezessionen sind aktive Fonds laut Untersuchungen nicht besser. Etwa berichteten Forscher der Universität St. Gallen, dass aktive Fonds in Wirtschaftsabschwüngen um 0,4 Prozent pro Monat hinter einem Vergleichsindex lagen. Die Untersuchung aus dem Jahr 2014 analysierte Rezessionen aus 16 Ländern zwischen 1980 und 2010.
Laut der Ratingagentur Morningstar blieben aktive Fonds auch in den ersten fünf Monaten 2022 hinter den ETFs zurück. Etwa verloren Standardwertefonds mit Schwerpunkt Europa 9,2 Prozent, während ein „MSCI Europe“-ETF bloß 6,6 Prozent einbüßte. „Bestenfalls könnte man sagen, dass der Renditevorteil von passivem Investieren in Marktabschwungsphasen weniger groß ist als in Aufschwungsphasen“, schreibt der Vermögensberater Gerd Kommer im Buch „Souverän Investieren mit Indexfonds & ETFs“.
Gefahr Stagflation
In Rezessionszeiten oder einem Bärenmarkt macht es Kommer zufolge also keinen Sinn, auf aktive Fonds statt ETFs zu setzen oder Stock-Picking zu betreiben. Ohnehin lasse sich nicht voraussagen, wann genau eine Krise komme und wie lange sie dauere. Auch hohe Inflation ist laut Hartmut Walz kein Argument gegen eine indexbasierte Anlagestrategie. „Starke Inflation verschlechtert die Aussichten von aktiven und von passiven Anlegern“, erklärt er.Dennoch haben klassische Aktien-Anleihe-Portfolios eine Schwachstelle, erklärt der Vermögensverwalter Incrementum. In Zeiten von anhaltender Stagflation, also hoher Inflation und geringem Wirtschaftswachstum, hätten sich sowohl Aktien als auch Anleihen schlecht entwickelt. Traditionelle Portfoliostrategien wie das 60/40-Portfolio würden in diesem Umfeld versagen. „Die Geschichte lehrt, dass die besten Vermögenswerte während der Stagflation die Edelmetalle sind“, heißt es im „Sonderbericht zur Inflation“ aus dem Jahr 2020.
ETF-Anleger könnten also mindestens 10 Prozent Gold oder mehr ins Portfolio nehmen, sollten sie Stagflation als Gefahr erachten und weder über einen langen Anlagehorizont noch die Risikotoleranz verfügen, um Verluste auszusitzen. Auch Rohstoffe könnten von einer Stagflation laut Incrementum profitieren. ETF-Anleger könnten zum Beispiel einen Rohstoff-ETF kaufen und diesen zu etwa 5 Prozent gewichten.
Gold und Staatsanleihen
Auch Hartmut Walz würde 10 Prozent Gold „immer“ empfehlen, wie der Finanzwissenschaftler erklärt, und zwar „losgelöst von konkreten spekulativen Erwartungen“ wie zur Inflationsentwicklung.
Wer mit steigender Inflation rechne, könne zudem den Aktienanteil erhöhen und den Anleiheanteil senken, erläutert der Professor, „da Anleihen Geldvermögen sind und der Inflation unterliegen, während Aktien als Sachvermögen mitinflationieren“.
Wer mit steigenden Zinsen der Zentralbanken zur Inflationsabwehr rechne, könne möglichst kurzlaufende Staatsanleihen ins Portfolio nehmen. „Je höher die Laufzeit (Duration), desto größer die Kursverluste bei Steigerungen des Marktzinssatzes. Starke Zinserhöhungen sind auch schlecht für den Goldpreis, da die Finanzierung von Goldinvestments teurer wird“, erklärt Walz.