Die Zahl der Rentner, die mit der gesetzlichen Rente nicht mehr auskommt und Grundsicherung beantragen muss, ist dramatisch gestiegen. Sie erhöhte sich im Dezember um 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Insgesamt beziehen 648.000 Rentner Grundsicherung – also jeder 27. gesetzlich Rentenversicherte.
Dietmar Bartsch von der Partei Die Linke, die die Zahlen beim Statistischen Bundesamt erfragt hat, forderte als Lösung eine „Antiinflationspolitik“. Es brauche mehr staatliche Einmischung, um Altersarmut zu verringern. Konkret schlägt der Politiker Preisbremsen und staatliche Preiskontrollen vor.
Der VWL-Professor Gunther Schnabl hält es indes für gefährlich, weiter an der Steuer- und Bürokratieschraube zu drehen, ohne konkret auf Bartsch Bezug zu nehmen. „Werden marktwirtschaftliche Prinzipien zunehmend außer Kraft gesetzt, dann werden auch die Altersbezüge unweigerlich sinken und die Altersarmut wird steigen“, schreibt er auf ANG-Anfrage und fügt hinzu: „Das deutet sich bereits an.“
Hohe Steuern und Bürokratie
Laut Schnabl senkt ein hohes Steuer- und Sozialabgabenniveau die Leistungsanreize. Unternehmen würden abwandern. Außerdem zwinge eine wachsende Bürokratie Firmen und Banken dazu, immer mehr Ressourcen für unproduktive Aktivitäten einzusetzen.
„Beide Faktoren wirken negativ auf die gesamtwirtschaftliche Produktivität, so dass die Löhne unter Druck kommen und die Finanzierung der Alterssicherung über Sozialbeiträge und Steuern nicht mehr gesichert ist“, erklärt der Volkswirt, der das Institut für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig leitet. Zudem steige die Inflation, sodass die Kaufkraft der Rentner und Pensionäre falle.
Der Publizist Rainer Zitelmann sieht das ähnlich. Die Tendenz zu immer mehr Planwirtschaft werde Deutschlands Wirtschaft „langfristig massiv schwächen“, erklärt er gegenüber ANG. Das werde zu „großen Wohlstandsverlusten“ führen und auch die gesetzliche Rentenversichung treffen, die ohnehin bloß aufgrund von erheblichen Steuersubventionen funktioniere.
Mehr Freiheit, mehr Wohlstand
Zitelmann, ein promovierter Historiker, argumentiert vor allem anhand empirischer Daten. „Es gibt zahlreiche Untersuchungen, die belegen, dass der Lebensstandard in einem Land umso größer ist, je höher die wirtschaftliche Freiheit ist“, erklärt er.
Zitelmann verweist etwa auf den Index of Economic Freedom der Heritage Foundation, der 184 Staaten nach dem Grad der wirtschaftlichen Freiheit bewertet. An der Spitze stünden wirtschaftlich freie Länder wie Singapur, Schweiz, Neuseeland und Luxemburg. Diese hätten ein pro-Kopf-BIP von 73.973 US-Dollar.
Bei den überwiegend freien Länder wie Deutschland oder den USA sinke die Ziffer auf 42.510 US-Dollar. Bei den Ländern, die „mostly unfree“ seien, liege sie nur bei 9,917 US-Dollar und bei den „repressed“-Ländern sogar bei 7096 US-Dollar. Der Index berücksichtigt Daten zu Rechtsstaatlichkeit, der Offenheit von Märkten, der Rolle des Staates in der Wirtschaft und der Effizienz von Regulierungen.
Mehr Markt, weniger Armut
Untersuchungen zeigen auch, dass wirtschaftliche Freiheit nicht nur den obersten Schichten zu Gute kommt. Etwa fanden die beiden US-Ökonomen James Gwartney und Joseph Connors heraus, dass die Armut in den Entwicklungsländern geringer ist, die wirtschaftlich frei sind.
Dazu schauten sie sich an, wie viel Prozent der Menschen von weniger als einem US-Dollar pro Tag lebten. In den Ländern mit durchschnittlichen Rating im „Economic Freedom of the World“-Index waren es 29,7 Prozent. In den 26 Ländern mit erhöhten Ranking, also Ländern mit mehr Marktwirtschaft, sank der Anteil auf 13,9 Prozent. In den neun Entwicklungsländern mit Top-Ranking waren es sogar nur 7,7 Prozent.
Besonders beeindruckend ist die Entwicklung Chinas. Den Zahlen zufolge sank der Anteil der Chinesen, die von weniger als einem US-Dollar pro Tag leben, von 29 auf 7 Prozent zwischen 1980 und 2004. In den Zeitraum fiel die wirtschaftliche Liberalisierungspolitik von Deng Xiaoping.
DDR-Rente versus BRD-Rente
Auch die deutsche Geschichte zeigt auf, dass wirtschaftliche Unfreiheit ein massives Risiko für Ältere darstellt. Der Lebensstandard war nämlich in der BRD deutlich höher als in der DDR, was auch Älteren zu Gute kam.
„Ältere Menschen haben von der Wende extrem profitiert“, sagt etwa Pavel Grigoriev, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock. „Besonders von einem besser werdenden Gesundheitssystem und einer höheren Rente.“
Es sei nach der Wiedervereinigung zu einer „außergewöhnlich schnellen Steigerung“ der ostdeutschen Lebenserwartung gekommen, zitiert der MDR den Forscher.
Rente von 520 Mark
Die durchschnittliche Rente lag laut dem MDR-Artikel bei rund 428 DDR-Mark. Mit der Freiwilligen-Zusatzrente betrug sie 520 Mark.
Das waren circa 40 Prozent des durchschnittlichen Bruttolohns des Jahres 1989. Ein BRD-Arbeitnehmer erhielt hingegen im Schnitt über 50 Prozent des durchschnittlichen Lohns.
Der DDR-Durchschnittslohn lag im Jahr 1989 bei 1300 DDR-Mark. In der BRD hatte der Durchschnittslohn bereits im Jahr 1970 bei 1300 D-Mark gelegen. Dazu kommt, dass die D-Mark wesentlich mehr Kaufkraft besaß als die DDR-Mark.
Staatsquote steigt seit Jahrzehnten
Die BRD lässt zwar mehr Marktwirtschaft zu als die DDR. Aber der deutsche Staat wächst bereits seit Jahrzehnten stetig an, während das Wirtschaftswachstum immer mehr erlahmt.
Etwa ist die Staatsquote – also der Anteil der Wirtschaftsproduktion, den der Staat den Bürgern über Steuern, Inflation und Co. wegnimmt – von unter 40 Prozent in den Sechzigern auf über 50 Prozent gestiegen.
Zum Vergleich: In der Schweiz liegt die Zahl bei 34 Prozent, in China bei 33 Prozent, in Russland bei 36 Prozent und in den USA immerhin bei 42 Prozent.
„Rente wird immer weniger funktionieren“
Gunther Schnabl sieht aktuell eine Gefahr in der EU-Taxonomie. Die EU wolle über das Klassifizierungssystem Ersparnisse bevorzugt an grüne Unternehmen umlenken. Diese Politik wirke auch negativ auf die Renten.
„Ich befürchte, dass es dadurch zu Fehlentscheidungen und noch viel mehr Bürokratie kommen wird”, erklärt Schnabl. „Die gesamtwirtschaftliche Produktivität dürfte dadurch stark sinken.”
Auch Rainer Zitelmann warnt: „Die gesetzliche Rentenversicherung, die ohnehin seit Jahren nur noch ‘funktioniert’, weil sie mit erheblichen Steuermitteln gestützt wird, wird künftig immer weniger funktionieren – einerseits aus demografischen Gründen und andererseits deshalb, weil zunehmende Staatseingriffe Deutschlands Wirtschaft schwächen werden.”