Geldanlage

Börsencrash: Wie Anleger reagieren sollten

Lesezeit: 6 min
16.01.2023 17:46  Aktualisiert: 16.01.2023 17:46
Die einen spekulieren auf Kurseinbrüche, um günstig nachzukaufen. Die anderen betrachten Crashs als Gefahr. Wer hat Recht?
Börsencrash: Wie Anleger reagieren sollten
Indizes wie der DAX können in einem Crash um 50 Prozent und mehr fallen. (Foto: iStock.com/ra2studio)
Foto: ra2studio

Deutsche Privatanleger fürchten sich vor Crashs, wie eine Umfrage von JPMorgan im vergangenen Jahr ergab. 15 Prozent nannten als größte Sorge, der Wert ihrer Investments könne durch Volatilität vernichtet werden.

Der Honorarberater Andree de Boer sieht Crashs indes gelassen. „Für langfristige Anleger sind Crashs eine Chance“, erklärt er auf ANG-Anfrage. Rendite sei nämlich eine Risikoprämie für die Vermögensanlage in schwankungsintensive Wertpapiere.

„Diese Prämie kann ohne Schwankungen nicht eingefahren werden“, führt de Boer aus. Bloß für kurzfristige Anleger könnten Kursverluste zu einem Risiko werden.

Für einen Crash beten

Der US-Finanzwissenschaftler William Bernstein meinte einst sogar, junge Anleger um die 20, die gerade mit dem Sparen begonnen hätten, sollten für einen Crash beten.

Grund dafür ist das sogenannte Risiko der Renditenreihenfolge. Aus finanzmathematischer Sicht ist es von Vorteil, wenn die schlechten Börsenjahre zu Beginn des Vermögensaufbaus kommen und die fetten Jahre zum Schluss.

Auch der Finanzwissenschaftler Hartmut Walz sieht keinen Grund zur Panik. Der Professor der Hochschule Ludwigshafen am Rhein betrachtet Aktiencrashs als ein „Shallow Risk“, also ein oberflächliches Risiko.

Deep Risk als wahre Gefahr

Ein Shallow Risk erscheine anfangs womöglich spektakulär und schwerwiegend, sei aber nicht von Dauer und oberflächlich, schreibt er in seinem Buch „Einfach genial entscheiden im Falle einer Finanzkrise“.

Ein typisches Beispiel seien Aktiencrashs. Die Kurse erholten sich meist nach einer Weile wieder. „Alles, was von ihnen übrig bleibt, sind ein paar Dellen im Chart“, erklärt Walz.

Viel schlimmer wirke „Deep Risk“, ein tiefes Risiko. Hierbei handle es sich um die wahren Gefahren bei der Geldanlage wie Inflation, Deflation, Zahlungsausfall, Zerstörung (etwa Krieg) und Enteignung. Deep Risk sei unumkehrbar, schwerwiegend und wirke langfristig. Kursschwankungen seien aber kein Deep Risk.

Die Wahrheit über die Weltwirtschaftskrise

Laut dem Vermögensberater Gerd Kommer sind Crashs gar nicht so schlimm, wie viele meinen. Selbst die Weltwirtschaftskrise – die Mutter aller Crashs – sei glimpflicher verlaufen, als häufig dargestellt. Weder sei der US-Aktienmarkt um knapp 90 Prozent eingebrochen, noch habe es 25 Jahre lang gedauert, bis der Markt die Verluste wieder wettgemacht habe.

Die Zahl von 90 Prozent berücksichtige nämlich nicht die hohen Dividenden und die starke Deflation der damaligen Zeit. Rechne man beides ein, sei der Dow-Jones-Index bloß um 79 Prozent gefallen, schreibt Kommer in einem Blogbeitrag.

Es hätte mit Dividenden und Deflation auch bloß sieben Jahre gedauert, die Verluste wettzumachen. Wer damals weltweit investiert hätte und nicht bloß in den US-Index Dow Jones, der hätte sogar bloß einen maximalen Verlust von 54 Prozent erlitten.

Buy and Hold

Der Honorarberater de Boer rät deswegen dazu, Crashs auszusitzen. Wenn es um Crashs gehe, beobachte er bei seinen Kunden am häufigsten den Irrglauben, dass gehandelt werden müsse.

Aber tatsächlich komme es darauf an, die Disziplin zu haben, an der vorher erarbeiteten Anlagestrategie festzuhalten, erklärt de Boer. „Eine gute Anlagestrategie berücksichtigt bereits im Vorfeld, dass es zu Crashes kommen wird ohne zu prognostizieren, wann das der Fall ist.“

Laut de Boer lässt sich der Zeitpunkt eines Crashs nicht zuverlässig voraussagen. Deswegen mache es auch wenig Sinn, einen Crash „ausnutzen“ zu wollen, etwa indem man eine Investitionsreserve zurücklege, um bei einem Kurssturz Wertpapiere günstiger kaufen zu können.

Zukunft ist ungewiss

„Eine Investitionsreserve macht dann Sinn, wenn klare Kriterien für die Investition gesetzt sind (etwa 20 Prozent unter dem letzten Höchststand)“, erklärt der Honorarberater. „Eine Investitionsreserve ist aber auch immer eine Wette auf 'genug' Crashs, da sie in normalen Phasen keine Rendite erwirtschaftet.“

Sie bringe also sogenannte Opportunitätskosten mit sich, fügt de Boer hinzu. Denn Investitonsreserven werden üblicherweise in Form von Bankeinlagen oder kurzlaufenden Staatsanleihen hoher Bonität gehalten. Diese Anlagen erzielen wenig Rendite im Vergleich zu Aktien.

Wer daher auf einen Crash spekuliert, dem entgehen womöglich die Aktiengewinne im Vorfeld des Kurssturzes. Etwa können Aktienmärkte in einem „Melt Up“-Boom nochmals richtig heißlaufen, bevor sie zusammenbrechen. Wer zu früh auf die Bremse tritt, würde einen großen Teil des Aufschwungs verpassen.

Prognosen sind meistens falsch

Außerdem ist nicht garantiert, dass der Crash-Spekulant den Tiefpunkt der Kurse trifft. Kauft er erst, nachdem die Erholung eingesetzt hat, entgeht ihm Rendite. Dazu kommt, dass die Inflation die Investitionsreserve entwertet.

Auch Studien und logische Überlegungen zeigen auf, dass sich die zukünftige Entwicklung der Finanzmärkte nicht voraussagen lässt. Etwa ist die Rendite von Privatanlegern laut Forschern der Universität Frankfurt umso geringer, je mehr Handelstransaktionen sie tätigen.

Auch professionelle Fondsmanager bleiben in Crashs und Rezessionen hinter Vergleichsindizes zurück. In einer Untersuchung der Universität Sankt Gallen schnitten sie in Rezessionen um 0,4 Prozent pro Monat schlechter ab als eine Benchmark. Die Forscher untersuchten Wirtschaftsabschwünge in 16 Ländern zwischen 1980 und 2010.

***

Elias Huber arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und schreibt vor allem über Konjunktur, Edelmetalle und ETFs sowie die ökonomische Lehre der Österreichischen Schule. 

ANG
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