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Agrar-ETFs: Sinnvolles Investment in die Ernährung der Zukunft?

Lesezeit: 7 min
26.09.2022 14:55  Aktualisiert: 26.09.2022 14:55
Steigende Nahrungsmittelpreise, zunehmende Dürren und eine wachsende Weltbevölkerung – die Landwirtschaft der Zukunft muss sich an veränderte Bedingungen anpassen. Mit den richtigen ETFs können Anleger von diesem Wandel profitieren.
Agrar-ETFs: Sinnvolles Investment in die Ernährung der Zukunft?
Agrar-ETFs investieren weltweit in die Lebensmittel- und Düngemittelindustrie. (Foto:iStock.com/Andrii Yalanskyi)
Foto: Andrii Yalanskyi

Weizen, Mais und andere Agrarrohstoffe sind um gut ein Drittel teurer als noch vor einem Jahr. Und für Menschen aus armen Ländern wie Somalia, Bangladesch oder Nigeria kaum noch zu bezahlen. Die Vereinten Nationen warnen bereits vor einer Hungerkatastrophe auf dem afrikanischen Kontinent. Ein wichtiger Grund für die Nahrungsmittelknappheit: Gut ein Drittel des weltweit exportierten Weizens kommt aus Russland und der Ukraine. Seit Russland in sein Nachbarland einmarschiert ist, wird immer weniger von dem wichtigen Grundnahrungsmittel auf den afrikanischen Kontinent transportiert.

Verschärft wird die Knappheit an Getreide durch einen Mangel an Düngemitteln. Weltweit besteht der Großteil des handelsüblichen Düngers aus Stickstoff, Phosphor und Kalium. Die nötigen Rohstoffe kommen dabei oft aus Russland, darunter rund 25 Prozent des global benötigten Kaliums. Präsident Putin hat für den Rest des Jahres 2022 ein Exportverbot dieser wichtigen Rohstoffe verhängt – was die Düngemittelpreise hat explodieren lassen.

Klimawandel: geringere landwirtschaftliche Erträge

Dabei steht die weltweite Landwirtschaft ohnehin schon vor großen Herausforderungen. Durch den Klimawandel gibt es in vielen Weltregionen weniger Trinkwasser, mehr Überschwemmungen und zunehmende Dürren. Dadurch gehen die landwirtschaftlichen Erträge zurück. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung. Bis 2030 sollen auf der Erde laut Schätzungen 8,6 Milliarden Menschen leben, mehr als eine halbe Milliarde mehr als aktuell. Wie kann die Agrarindustrie alle Menschen mit Nahrungsmitteln versorgen? Und das bei gleichzeitigem Schutz von Klima und Ressourcen? Die Methoden der Landwirtschaft der Vergangenheit scheinen dafür nicht geeignet zu sein, das globale Ernährungssystem muss komplett umgekrempelt werden.

Um das Klima zu schonen, müssen mehr proteinreiche Lebensmittel auf pflanzlicher Basis auf den Markt kommen. Denn die Zucht von Rindern, Schweinen und Schafen ist sehr CO2- intensiv und benötigt mehr Fläche und Ressourcen als der Anbau von Pflanzen und Getreide. Auch die Ressource Wasser erfordert einen effizienteren Umgang – das Stichwort lautet Tröpfchenbewässerung. Transport und Logistik müssen ebenfalls effizienter gestaltet werden. Denn aktuell landet viel Obst und Gemüse aufgrund falscher Lagerung in der Mülltonne anstatt auf dem Teller.

Einige Unternehmen treiben den Wandel in der Nahrungsmittelindustrie bereits voran. Und mit den passenden Themen-ETFs können Anleger auf diese zukunftsgerichteten Wege in der Nahrungsmittelproduktion setzen.

iShares Agribusiness ETF (ISIN: IE00B6R52143): Fokus auf etablierte Konzerne

Der Agrarwirtschaft-ETF von iShares ist seit 2011 auf dem Markt und zählt damit zu den ältesten ETFs, die sich auf den Ernährungs- und Landwirtschaftssektor fokussieren. Sein Fondsvolumen liegt aktuell bei über 900 Millionen US-Dollar – ein hoher Wert, der garantiert, dass der ETF nicht bald wieder vom Markt verschwindet.

Der Indexfonds investiert breit in die Agrar- und Nahrungsmittelindustrie. Er hält etwas mehr als 70 Aktien, davon mehrheitlich aus den USA. In der Hauptsache setzt der ETF auf etablierte Konzerne. Es finden sich nur wenige junge und innovative Unternehmen im Fondsdepot. Zu seinen größten Portfoliowerten gehören aktuell der US-Traktoren- und Mähdrescherhersteller Deere, der kanadische Düngemittelkonzern Nutrien sowie das US- Unternehmen Archer Daniels Midland, einer der weltgrößten Verarbeiter von Ölsaaten und Getreide.

Der ETF beachtet keine Nachhaltigkeitsvorgaben in der Aktienauswahl. Deshalb verwundert es nicht, dass er in Unternehmen wie Tyson Foods investiert, einen der weltgrößten Fleischkonzerne, oder in den indonesischen Palmölproduzenten Wilmar, der laut Umweltschutzorganisationen für einige seiner Plantagen illegal Regenwald gerodet haben soll. Dafür überzeugt die Wertentwicklung des iShares-ETFs: Auf Jahressicht ist er mehr als 30 Prozent im Plus und hat damit den Weltaktienindex MSCI World deutlich übertroffen. In den vergangenen fünf Jahren legte er fast um 90 Prozent zu und entwickelte sich damit ebenfalls besser als der MSCI World.

Rize Sustainable Future of Food ETF (ISIN: IE00BLRPQH31): Investment in Nachhaltigkeitspioniere

Anders als der iShares-ETF berücksichtigt der ETF des britischen Anbieters Rize Nachhaltigkeitskriterien in der Aktienauswahl. Er konzentriert sich laut Anbieter nur auf Firmen, die sich für „nachhaltigeres, sichereres und sozial gerechteres“ Nahrungsmittelsystem einsetzen. Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, die sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs), spielen in der Aktienauswahl eine entscheidende Rolle. Sie verlangen etwa, die Biodiversität zu bewahren oder das Klima zu schützen.

Der ETF hat strenge Ausschlusskriterien. Tabu sind Firmen, die Massentierhaltung betreiben oder Milch- und Fleischprodukte herstellen. Er schließt auch Unternehmen aus, die gentechnisch verändertes Saatgut verkaufen oder nicht-nachhaltiges Palmöl und Soja verarbeiten. Die Herstellung von Pflanzenschutzmitteln und konventionellem Dünger ist allerdings kein Ausschlussgrund für den ETF.

Ein Blick ins Depot zeigt: Der ETF investiert in zahlreiche kleine und innovative Unternehmen. Unter den 43 Aktien, die der ETF hält, finden sich etwa Beteiligungen am US- Fleischersatzspezialisten Beyond Meat, am norwegischen Sortiermaschinenhersteller Tomra Systems oder am schwedischen Unternehmen Oatly, das für seine Hafermilch bekannt ist. Zu den größten Positionen des ETFs gehören der Schweizer Verpackungshersteller Sig, der US- Chemiekonzern FMC, der unter anderem Pflanzenschutzmittel herstellt, sowie der italienisch-US-amerikanische Nutzmaschinenbauer CNH Industrial.

Der Fokus auf junge Unternehmen hat sich für den ETF allerdings noch nicht ausgezahlt. Auf Jahressicht liegt er über 20 Prozent im Minus und hat sich damit deutlich schlechter geschlagen als der MSCI World. Die wenig erfreuliche Wertentwicklung hat aber einen einfachen Grund: Aufgrund des gestiegenen Zinsniveaus in den USA und Europa ist es für Unternehmen teurer geworden, sich zu verschulden. Das schmälert vor allem die Gewinnaussichten von jungen Unternehmen, die meist hoch verschuldet sind. Außerdem drücken höhere Leitzinsen auf die Börsenbewertungen – vor allem von solchen Firmen, die noch keine schwarzen Zahlen schreiben.

Global X AgTech & Food Innovation ETF (ISIN: IE000EBFYWX3): Schwerpunkt junge Unternehmen, aber noch niedriges Fondvolumen

Der Global-X-ETF fokussiert sich laut Anbieter auf Firmen, die für Innovationen im Landwirtschafts- und Ernährungssektor sorgen. Dazu zählen etwa Hersteller von neuartigen Anbau- und Bewässerungssystemen für die Landwirtschaft, aber auch Firmen, die pflanzliche Milch- und Fleischalternativen anbieten oder neuartigem Saatgut forschen. Der ETF bildet einen Index des Frankfurter Unternehmens Solactive ab und wurde im Februar 2022 aufgelegt. Das mag auch ein Grund sein, warum sein Fondsvolumen gerade einmal bei 6,5 Millionen US-Dollar liegt. Der Anbieter des ETFs, Global X, ist eine Tochtergesellschaft des südkoreanischen Finanzkonzerns Mirae Asset.

Im Depot des Indexfonds befinden sich 30 Aktien. Etwas mehr als die Hälfte des Fondsvolumens steckt in US-Unternehmen. Zu den größten Positionen im ETF-Portfolio zählen der kanadische Düngemittelkonzern Nutrien sowie der US-Saatgut- und Spritzmittelhersteller Corteva. Der ETF investiert auch in zahlreiche jüngere Firmen, wie das US-Unternehmen Tatooed Chef, das vegane und vegetarische Fertiggerichte anbietet, oder Appharvest, ebenfalls aus den USA, das Gewächshäuser im Stil der vertikalen Landwirtschaft betreibt.

Ähnlich wie der Rize-ETF hat sich auf der Agrarwirtschafts-ETF von Global X schlechter geschlagen als der MSCI World: Nach Rückberechnungen des Indexerstellers ist er auf Jahressicht gut 28 Prozent im Minus.

Ossiam Food for Biodiversity (ISIN: IE00BN0YSK89): Investment in Schutz der Biodiversität?

Der ETF des französischen Anbieters Ossiam legt seinen Schwerpunkt laut Prospekt auf Unternehmen, die „der Zerstörung der natürlichen Ressourcen und der Biodiversität“ entgegenwirken. Das Anlageuniversum des ETFs umfasst 250 große und mittelgroße Unternehmen aus den Industrieländern, die im Lebensmittel- und Agrarsektor tätig sind. Aus ihnen wählt Anbieter Ossiam nach eigenen Angaben die vielversprechendsten und nachhaltigsten Firmen aus. Bei dem Ossiam-ETF handelt es sich deshalb um einen Fonds mit aktiver Portfoliosteuerung. Mit 0,75 Prozent pro Jahr liegen seine Gebühren aber nur geringfügig über den Kosten der anderen hier vorgestellten ETFs.

Aktuell investiert der Ossiam-ETF in fast 50 Aktien. Er hält vor allem Papiere bekannter Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé, Unilever und Danone oder von Betreibern von Fast- Food-Ketten wie McDonald’s oder Yum Brands. Aktien von Firmen, die für ihre nachhaltige Ausrichtung bekannt sind, finden sich nur wenige im ETF, darunter aber von US-Fast-Food- Kette Chipotle Mexican Grill oder von Fleischersatzspezialist Beyond Meat. Inwiefern ein solches Investment-Portfolio zum Schutz der Biodiversität beträgt, bleibt deshalb mehr als fraglich.

***

Martin Grajner ist freier Journalist. Sein Schwerpunkt sind Börsen- und Finanzthemen, vor allem mit Nachhaltigkeitsbezug. 

 

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten ETF und Indexfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.
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