Die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts zur Gender Pay Gap seien ein „Armutszeugnis für Deutschland“, schreibt der Ökonom Marcel Fratzscher in einer Zeit-Kolumne. „In kaum einem anderen westlichen Land ist der Unterschied beim Stundenlohn zwischen Männern und Frauen so groß.“ Die Politik müsse endlich handeln.
Laut den Zahlen verdienen Frauen pro Stunde 18 Prozent brutto weniger als Männer. Vergleicht man bloß Männer und Frauen mit ähnlicher Qualifikation, Beruf und Erwerbshistorie, dann schrumpft der Unterschied auf 7 Prozent. Frauen arbeiten nämlich häufiger in Teilzeit und in Berufen, die geringer bezahlt sind – etwa der Krankenpflege oder Erziehung.
Das Statistische Bundesamt vermutet aber nicht, dass Frauen aufgrund von Diskriminierung tatsächlich 7 Prozent weniger verdienen. „Es ist davon auszugehen, dass die Unterschiede geringer ausfallen würden, wenn weitere Informationen über lohnrelevante Einflussfaktoren für die Analyse zur Verfügung stünden, etwa Angaben zu Erwerbsunterbrechungen aufgrund von Schwangerschaft, Geburt von Kindern oder Pflege von Angehörigen“, schreibt die Behörde.
„Obergrenze für Verdienstdiskriminierung“
Die bereinigte Gender Pay Gap von 7 Prozent sei daher eine „Obergrenze für Verdienstdiskriminierung“. Selbst das Statistische Bundesamt geht also nicht von 20 Prozent Lohndiskriminierung aus, sondern – wenn überhaupt – weniger als 7 Prozent.
Indes ist eine systematische Benachteiligung schon aus logischen Gründen unplausibel. Zwar sei eine willkürliche Diskriminerung in Einzelfällen nicht auszuschließen, wenn sich eine Frau trotz einer Ungleichbehandlung nicht für einen Arbeitswechsel entscheiden könne, erklärt der Ökonom Oliver Stettes vom wirtschaftsliberalen IW Köln gegenüber ANG. Aber: „Bei einer systematischen Diskriminierung am Arbeitsmarkt würde es einen Anreiz geben, Unternehmen zu gründen, die ausschließlich/überwiegend Frauen rekrutieren, für diese besonders attraktiv sind und über eine (durchschnittlich) bessere Wettbewerbsfähigkeit verfügen.“
Die Personalkosten summieren sich nämlich rasch zu 30 Prozent und mehr der Gesamtkosten eines Unternehmens. Würden Frauen tatsächlich 7 Prozent schlechter bezahlt, bestünde ein massiver Wettbewerbsvorteil für Unternehmen, die Frauen abwerben und etwas besser bezahlen. Allein bei einem Personalkosten-Anteil von 30 Prozent und einer Gender Pay Gap von 7 Prozent bliebe eine Kostenersparnis von 2 Prozent. Die Gewinnspanne würde also enorm steigen. Es erscheint wenig realistisch, dass Unternehmen eine solche Profitchance ungenutzt lassen würden.
Der IW-Köln-Ökonom Oliver Stettes vermutet denn auch, dass die Gender Pay Gap verschwinden würde, wenn man alle lohnrelevanten Merkmale beobachten und in den Daten erfassen könnte. „Allerdings ist die Bereitstellung einer derartigen vollständigen Informationsbasis nicht absehbar“, fügt er hinzu.
„Differenzierungsgrad der Daten unzureichend“
Stettes sieht zudem Schwächen in den Zahlen des Statistischen Bundesamts. Erstens würden Erwerbspausen nicht berücksichtigt, wie die Statistikbehörde selbst zugebe. Die Länge der eigenen Erwerbserfahrung sei aber ein „wichtiger Einflussfaktor“, wie mehrere Untersuchungen zeigten.
Zweitens sei der Differenzierungsgrad der Daten unzureichend. Etwa könne man innerhalb desselben Unternehmens nicht zwischen der Führungskraft eines Produktionsbereichs und eines Facility-Bereichs wie der Kantine unterscheiden. „Erstere hat in dem Beispiel vermutlich für das Unternehmen einen höheren Wert als Letztere, beide Führungskräfte werden aber in der Regel den gleichen Tätigkeitsschlüssel haben (zum Beispiel Abteilungsleitung)“, schreibt Stettes.
Zudem spreche einiges dafür, dass Männer in Lohnverhandlungen offensiver auftreten würden und häufiger den Arbeitsplatz freiwillig wechselten, um das Einkommen zu steigern. Auch das sei in den Daten nicht erfasst.
Das IW Köln schätzt die Gender Pay Gap denn auch geringer. Etwa berichtet eine Studie des Instituts aus dem Jahr 2013 eine bereinigte Lohnlücke von 2 Prozent. Eine Analyse aus dem Jahr 2021, an der auch Stettes beteiligt war, kam auf 5,3 Prozent. Doch auch diese Zahlen seien mit Vorsicht zu genießen, wie die Forscher schreiben, „da im Allgemeinen nicht sämtliche Merkmale, die die Höhe des Lohns eines Beschäftigten determinieren, für eine Analyse zur Verfügung stehen und die verwendeten Kriterien zum Teil nur unscharf die im Einzelfall zu berücksichtigenden Merkmale erfassen können“.
In manchen Berufen verdienen Frauen mehr
Anhänger der „Gender Pay Gap“-Theorie wie etwa Marcel Fratzscher argumentieren indes, Frauen würden sich nicht freiwillig für geringer entlohnte Berufe entscheiden. „Frauen wählen keine schlechtere Bezahlung, sondern sie erhalten sie“, schreibt Fratzscher. Etwa habe eine Studie gezeigt, dass Frauen in systemrelevanten Berufen wie dem Gesundheitswesen überrepräsentiert seien, diese systemrelevanten Tätigkeiten aber gleichzeitig besonders gering entlohnt würden.
Fratzscher übersieht indes, dass sich die Lohnhöhe am freien Markt nicht nach der angenommenen Systemrelevanz einer Tätigkeit richtet. Letztendlich setzen die subjektiven Vorlieben der Verbraucher und Beschäftigten die Lohnhöhe. Beliebte Berufe sind beispielsweise geringer entlohnt, weil hier mehr Arbeitskräfte auf den Markt drängen. Tätigkeiten, bei denen Produkte oder Dienste geschaffen werden, die bei Verbrauchern besonders gefragt sind, werden höher entlohnt.
So gibt es denn auch Berufe, in denen Frauen wesentlich mehr verdienen als Männer. Etwa erhalten weibliche Models 149 Prozent mehr Lohn als männliche Kollegen, berichtet das Magazin wmn. Unter den weltweit bestbezahltesten Models kommt demnach erst auf Platz 25 ein Mann.
Männliche Models werden aber nicht etwa schlechter bezahlt, weil sie Männer sind, sondern weil Frauen mehr Geld für Mode ausgeben. Weibliche Models schaffen daher mehr Wertschöpfung für die Unternehmen der Modebranche als die männlichen Kollegen.
Unterschiede in Intelligenz
Gerade in männerdominierten Berufen verdienen Frauen zudem deutlich mehr als Männer, wie eine Auswertung von Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigt, über die die Berliner Morgenpost berichtet. Demnach verdienen Frauen im Hochbau 24 Prozent mehr als Männer; in der Fahrzeug-, Luft-, Raumfahrt- und Schiffbautechnik 21 Prozent mehr und im Tiefbau 19 Prozent mehr.
Sollten Männer tatsächlich Frauen benachteiligen, wäre eigentlich zu erwarten, dass Frauen gerade in männerdominierten Branchen weniger verdienen. Tatsächlich erhalten Frauen aber laut den Zahlen im Schnitt bis zu 650 Euro mehr pro Monat. Ein Grund könnten Frauenquoten sein, die die wenigen Frauen in den Branchen rascher in hochdotierte Führungspositionen hieven.
Hinter der „Gender Pay Gap“-Theorie steht die Ansicht, Frauen und Männer seien bis auf körperliche Unterschiede gleich. Unterschiede in puncto Persönlichkeit oder Intelligenz gebe es nicht. Alle Lohnunterschiede sind daher zwangsläufig Folge von ungleicher Behandlung oder falschen Politikanreizen. Doch dieser Schluss ist mindestens fragwürdig.
Etwa ist es laut dem Evolutionspsychologen Heiner Rindermann „gesichert und unstrittig“, dass Intelligenz zwischen Männern und Frauen nicht gleich verteilt ist. „Es gibt relativ zu Frauen mehr sehr wenig intelligente Männer und mehr sehr hoch intelligente Männer“, erklärt der Professor auf ANG-Anfrage. Männer neigen also mehr zu den Extremen im Intelligenzspektrum, sind also öfters sehr intelligent oder sehr dumm als Frauen.
Viel mehr hochbegabte Männer als Frauen
Männer seien unter den Hochbegabten – also Menschen mit einem IQ von mindestens 130, was 2 Prozent der Bevölkerung entspricht – deutlich überrepräsentiert. Eminente Mathematiker sind laut Rindermann zu 97,5 Prozent Männer. Ähnlich schaue es in den Naturwissenschaften und der Technik aus. Auch in der Hochbegabtenorganisation Mensa, in die man bloß mit einem IQ-Testergebnis von mindestens 130 eintreten kann, gibt es viel mehr Männer als Frauen.
Strittig ist Rindermann zufolge, ob Männer auch im Mittel intelligenter sind als Frauen. Etwa schätzt der britische Evolutionspsychologe Richard Lynn, dass Männer im Schnitt vier Intelligenzpunkte mehr haben als Frauen. Jedoch sei unstrittig, dass Intelligenz relevant für beruflichen Erfolg und Einkommen sei, erklärt Rindermann.
Auch in puncto Interessen und Persönlichkeit seien die Geschlechter keineswegs gleich. „Frauen sind in ihren Interessen ausgeglichener, Männer fokussierter und extremer (wie immer nicht alle, aber in Prozent-Unterschieden)“, schreibt Rindermann gegenüber ANG.
Etwa untersuchte eine Studie aus dem Jahr 2008 über 17.000 Menschen aus 55 Nationen mithilfe eines Big-Five-Persönlichkeitstests. Das Big-Five-Modell ist in der Psychologie weithin verbreitet und bricht eine Persönlichkeit auf fünf Charakterzüge herunter. Diese sind Neurotizismus (Tendenz, besorgt und nervös zu sein), Verträglichkeit (freundlich und hilfsbereit), Extroversion (aktiv und gesellig), Gewissenhaftigkeit (organisiert und beständig) und Offenheit.
Frauen sind gewissenhafter und neurotischer
Die Forscher schreiben über die Ergebnisse: „Frauen berichteten in den meisten Ländern über ein höheres Maß an Neurotizismus, Extraversion, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit als Männer.“
Forschungen zufolge ist es gerade Gewissenhaftigkeit, die wesentlich für beruflichen Erfolg ist. Gewissenhafte Menschen „werden von ihren Ausbildern und Aufsehern besser bewertet, erzielen einen objektiv ergiebigeren Output am Arbeitsplatz, zeigen eine bessere Trainingsleistung, besseres Teamwork, bessere Führungsqualitäten“, schreibt der Psychologe Thomas Saum-Aldehoff in seinem Buch „Big Five“.
Frauen haben also durch ihre erhöhte Gewissenhaftigkeit einen Vorteil gegenüber Männern. Doch andere Big-Five-Eigenschaften könnten sich nachteilig auswirken. Etwa sind Frauen Studien zufolge neurotischer, weshalb sie weniger Risiken eingehen. Männer machen sich daher öfters selbstständig und gründen mehr Unternehmen.
Risiko wird am Markt durch ein höheres Einkommen entlohnt, weshalb Unternehmer die höchsten Einkommen erzielen. „Gender Pay Gap“-Untersuchungen wie etwa des Statistischen Bundesamts berücksichtigen diese Big-Five-Persönlichkeitsunterschiede, die laut Saum-Aldehoff zwischen 40 und 60 Prozent genetisch bedingt sind, jedoch nicht.